Medien: Josef Grünwidl soll Erzbischof von Wien werden
15.10.202518:22
Österreich/Kirche/Personal/Leute/Glaube
Derzeitiger Apostolischer Administrator der Erzdiözese Wien soll laut Medienberichten neuer Erzbischof werden - Der 62-jährige leidenschaftliche Seelsorger, Zuhörer und Musikliebhaber steht für Dialog und geistliche Tiefe
Wien, 15.10.2025 (KAP) Weder Bestätigung noch Dementi gibt es von der Erzdiözese Wien zu Medienberichten, wonach Josef Grünwidl neuer Erzbischof von Wien werden soll. Auf Kathpress-Anfrage verwies der Sprecher der Erzdiözese am Mittwochabend darauf, dass man erst nach offizieller Verlautbarung durch den Vatikan eine Entscheidung von Papst Leo XIV. öffentlich machen bzw. kommentieren könne. Die Austria Presse Agentur (APA) hatte zuvor unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, dass am Donnerstag der noch ausständige Umlaufbeschluss im Ministerrat erfolgen soll. Informationen der "Presse" zufolge wird darin Grünwidl als neuer Erzbischof genannt. Die Papst-Entscheidung hat der Apostolische Nuntius in Österreich, Erzbischof Pedro Lopez Quintana, laut "Heute" persönlich im Außenministerium überbracht.
Grünwidl leitet bereits seit 22. Jänner interimistisch die Wiener Erzdiözese. Am selben Tag hatte Papst Franziskus (2013-2025) das altersbedingte Rücktrittsgesuch von Kardinal Christoph Schönborn genau an dessen 80. Geburtstag angenommen. Zugleich wurde Grünwidl vom Papst zum Apostolischen Administrator, also Übergangsverwalter, ernannt.
Bei der Ernennung eines Diözesanbischofs in Österreich ist auch die Regierung eingebunden. Laut Konkordat (Artikel IV, Paragraf 2) gilt hierzulande die sogenannte "politische Klausel": Aufgrund dieser hat sich der Heilige Stuhl verpflichtet, vor Ernennung eines Erzbischofs oder Bischofs der Bundesregierung den Namen des Kandidaten mitzuteilen. Die Bundesregierung kann gegen die Ernennung "Gründe allgemein politischer Natur" geltend machen. Wird ein solcher Einwand erhoben, sind beide Seiten gehalten, sich zu einigen. Scheitert dies, ist der Papst dennoch frei, sich mit seiner Wahl durchzusetzen. Wenn es keinen Einwand seitens der Regierung gibt, wird in der Folge die Ernennung durch den Vatikan veröffentlicht.
Leidenschaftlicher Seelsorger
Mit Josef Grünwidl hatte der Papst im Jänner einen Apostolischen Administrator für Wien ernannt, der noch vor einem Jahr über die Diözesangrenzen hinaus kaum bekannt war. In den Vordergrund zu drängen, war nie die Art des 62-Jährigen. Doch durch sein stilles Wirken in der Seelsorge hat er sich über Jahrzehnte bewährt und überzeugte damit nicht nur in der Erzdiözese, sondern offenbar auch Kardinal Christoph Schönborn. Dieser hatte ihn einst zum Sekretär und später zum Bischofsvikar bestellt - und ihn dann wohl auch im Vatikan als Apostolischen Administrator empfohlen. Diesen Übergangsauftrag erfüllte der gebürtige Weinviertler in den vergangenen Monaten mit Bravour, womit er sich in den Augen der Kirchenleitung für höhere Aufgaben qualifizierte.
Grünwidl wurde am 31. Jänner 1963 in Hollabrunn geboren und wuchs im nahegelegenen Wullersdorf auf, unweit des Benediktinerpriorats Maria Roggendorf. Nach der Matura am erzbischöflichen Aufbaugymnasium in Hollabrunn trat er 1981 ins Wiener Priesterseminar ein und studierte Theologie an der Universität Wien. Gleichzeitig belegte er das Konzertfach Orgel an der Musikuniversität. Während eines Studienjahrs in Würzburg fiel die Entscheidung: "Musik bleibt mein Hobby, Priester wird mein Beruf." 1987 empfing er durch Weihbischof Helmut Krätzl die Diakonenweihe, 1988 folgte die Priesterweihe durch Kardinal Franz König.
Sein seelsorglicher Weg führte ihn zunächst als Kaplan nach Wien-St. Johann Nepomuk (ab 1988), dann als Kurat an die Dompfarre Wiener Neustadt (1991) und als Diözesanjugendseelsorger (1993) in die überregionale Arbeit. Von 1995 bis 1998 war er Sekretär des frisch ernannten Erzbischofs Christoph Schönborn. Danach war Grünwidl viele Jahre Pfarrer in mehreren Gemeinden des südlichen Niederösterreichs, darunter Kirchberg am Wechsel, Feistritz, St. Corona und Trattenbach. 2007 wurde er Dechant, ab 2014 Pfarrer von Perchtoldsdorf. 2016 folgte die Wahl zum geschäftsführenden Vorsitzenden im Wiener Priesterrat, 2023 die Ernennung zum Bischofsvikar für das Vikariat Süd, 2024 zum Ehrenkanoniker des Stephansdoms.
Dialogbereiter Interimschef
Nach der Emeritierung von Kardinal Schönborn als Erzbischof von Wien wurde Grünwidl am 22. Jänner 2025 zum Apostolischen Administrator der Erzdiözese Wien bestellt. Seine Aufgabe ist seither die interimistische Leitung der Erzdiözese inklusive Verwaltung, seelsorglicher und personeller Koordination, jedoch ohne langfristige Entscheidungen, um dem künftigen Erzbischof nicht vorzugreifen. In dieser Phase profilierte sich Grünwidl als seelsorglich geerdeter Leiter, geschätzter Prediger und verständiger Gesprächspartner. Diözesanintern wurde sein zuhörender Führungsstil breit geschätzt.
Mit der Ernennung zum Übergangsleiter rückte Grünwidl auch in den Kreis potenzieller Nachfolger Schönborns auf dem Bischofsstuhl. Von Medien auf kirchliche "heiße Eisen" angesprochen, zeigte sich das frühere Mitglied der Pfarrer-Initiative offen für Reformen. Er betonte, der Zölibat sei für ihn persönlich eine bewusst gewählte Lebensform, aber "keine Glaubensfrage" - und sollte daher für Priester nicht zwingend vorausgesetzt werden. Beim Thema Frauen in der Kirche ortete er "dringenden Klärungsbedarf": Das Frauendiakonat sollte weiter diskutiert werden, auch eine Aufnahme von Frauen ins Kardinalskollegium wäre für ihn denkbar. Als Administrator nahm er drei Frauen ins diözesane Leitungsteam auf.
Mystik statt Kulturchristentum
Trotz aller Strukturfragen sieht Grünwidl die Zukunft der Kirche nicht primär darin, sondern in der geistlichen Erneuerung. Die Seelsorge brauche weniger Funktionäre, sondern vielmehr "Mystikerinnen und Mystiker", so sein Credo. Wer kirchlich tätig sei, müsse zuerst das eigene geistliche Leben pflegen. Menschen mit "abweichender Lebensführung" oder Glaubenszweifler sollten auf "ein liebendes Herz" treffen, und statt oberflächlichem "Kulturchristentum" brauche es eine persönliche Christusbeziehung, sowie regelmäßiges Gebet, Schriftlesung und Eucharistie. In einer Zeit, in der die Zugehörigkeit zur Kirche zunehmend zur bewussten Entscheidung werde, plädierte er für stärkere Begleitung und eine glaubwürdige Verkündigung: Das Evangelium sei "die beste Botschaft, in der es um Frieden, Versöhnung, Gemeinschaft und Hoffnung geht".
Die schrumpfenden personellen und finanziellen Ressourcen der Kirche sind Grünwidl bewusst, musste er doch schon als Pfarrer und Administrator damit umgehen. Insbesondere beim Umgang mit kirchlichen Gebäuden plädiert er für behutsame, gemeindenahe Entscheidungen, die vom Erhalt über Umwidmung bis zur möglichen Veräußerung reichen könnten. Die beste Lösung sei "eine lebendige Gemeinde, damit Kirchen im Dorf bleiben" und weiterhin die spirituelle Grundversorgung sichern könnten. Der bisherige diözesane Interimsleiter sprach sich für ein pastorales Gebäudekonzept und verstärkte Zusammenarbeit zwischen benachbarten Pfarren aus.
Zur Frage der Synodalität forderte Grünwidl bisher eine "heilsame Dezentralisierung", müsse doch nicht jede einzelne Frage zentral in Rom entschieden werden. Neue Beratungs- und Entscheidungsformate könnten helfen, "kirchliche Schwerhörigkeit gegenüber dem Evangelium und den Lebensrealitäten" zu überwinden. Ob und in welcher Weise er sich künftig in politische Debatten einbringen wird, bleibt abzuwarten. Eine Kirche, "die ständig mit dem Zeigefinger zur Tagespolitik Stellung nimmt", lehnte der künftige Erzbischof ab; wo es jedoch um Menschenwürde, Gerechtigkeit und den Schutz Benachteiligter gehe, seien klare Worte unbedingt geboten.
Bergliebhaber und Organist
Ausgleich zum kirchlichen Alltag findet Grünwidl in der Natur - beim Wandern oder Musizieren. Musik war für ihn stets "Lebensmittel" und "ein Weg zu Gott", sei es am Klavier oder an der Orgel, berichtete er in einem Interview. Freunde bezeichnen ihn als feinsinnigen und humorvollen Menschen und geben an, er sei Fan von Loriot. Zu seinen geistlichen Leitbildern zählen die Benediktsregel ("Bete, arbeite und lies") und die heilige Teresa von Avila, deren Gottvertrauen und "zweite Bekehrung" ihn besonders beeindrucken.
In den vergangenen Monaten erklärte Grünwidl in Bezug auf die Schönborn-Nachfolge mehrfach, er sehe sich "nicht in dieser Aufgabe" und würde lieber in seine Pfarre zurückkehren. Würde ihn der Papst dennoch darum bitten, so wolle er "sehen, wie ich darauf reagiere". Ob und wie er sich entschieden hat, wird spätestens mit der vatikanischen Veröffentlichung der Personalentscheidung für Wien klar sein.