Missbrauch: Zollner würdigt Klasnic-Kommission als "herausragend"
21.10.202515:37
Österreich/Kirche/Missbrauch/Zollner
Römischer Missbrauchsexperte bei Tagung zu 15 Jahre Unabhängige Opferschutzanwaltschaft in Wien: Mit ihrer konsequenten Aufarbeitung und Hinwendung zu den Opfern haben Waltraud Klasnic und Kardinal Schönborn "ein wichtiges, zutifest menschliches Signal in unsere Kirche und in die Gesellschaft" gesendet
Wien, 21.10.2025 (KAP) Hohe Anerkennung und Wertschätzung für die österreichische Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic und Kardinal Christoph Schönborn hat der international anerkannte Missbrauchsexperte P. Hans Zollner zum Ausdruck gebracht. Was Klasnic und die Unabhängige Opferschutzanwaltschaft in den vergangenen 15 Jahren geschaffen habe, sei "ein herausragendes Element eines systemischen Vorgehens, das auch in anderen Bereichen aufgenommen werden sollte", sagte Zollner bei einem Vortrag am Dienstag in Wien.
Er habe "tiefen Respekt" vor der Leistung Klasnics und Schönborns, die für Kirche und Gesellschaft "von unschätzbarem Wert" sei, so Zollner. "Ihr entschlossenes Eintreten für Wahrheit, Gerechtigkeit und die Unterstützung der Betroffenen hat vielen Menschen, die durch Missbrauch und Gewalt tief verletzt wurden, einen Weg zu Gehör, Hilfe und Würde eröffnet." Damit hätten Klasnic und Schönborn "ein wichtiges, zutiefst menschliches Signal in unsere Kirche und in die Gesellschaft" gesendet.
Der Vortrag Zollners zum Thema "Safguarding" bildete einen Höhepunkt der Tagung "Die Wahrheit wird euch frei machen", die am 21. Oktober aus Anlass des 15-jährigen Bestehens der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft im Wiener Erzbischöflichen Palais stattfand. Eröffnet wurde die Tagung am Vormittag u.a. von Erzbischof Franz Lackner und Bischof Benno Elbs. Anwesend waren auch Bischof Hermann Glettler, der emeritierte St. Pöltner Bischof Klaus Küng, der Salzburger Weihbischof Hansjörg Hofer sowie der ernannte Wiener Erzbischof Josef Grünwidl.
In seinem Vortrag zeigte Zollner auf, dass Missbrauch in der Kirche keine Frage von Einzeltätern, sondern systemischen Ursprungs sei. Schließlich sei Kirche ein komplexes System von zahlreichen Strukturen, Abhängigkeiten und Verbindlichkeiten - zwischen Pfarren, Priestern, Verwaltung, Leitungsebenen, Verbänden, Angestellten etc. Ein solches System könne viel Gutes leisten, weil es immer mehr leiste, als seine einzelnen Glieder. Zugleich aber könne es für Betroffene von Missbrauch zu einer "Nebelwand" werden, mit der das System seine Glieder schütze und eine Grenze zwischen der Kirche und der Außenwelt ziehe. Hinzu komme eine weit verbreitete pastorale "Sprachlosigkeit" nicht zuletzt unter Priestern und Priesteramtskandidaten bei Fragen der Sexualität.
Die Komplexität des "Systems Kirche" sei so groß, dass es daher nicht genüge, von Einzeltätern oder auch Helfern beim Vertuschen von Missbrauch zu sprechen. Es müssten viele Teile des Systems abgeklopft werden, die für sich genommen harmlos seien, im Gesamtsystem aber gerade aus Perspektive von Missbrauchsbetroffenen verheerend wirkten wie etwa Ausbildung, Theologie, Spiritualität, Selbstverständnis, Verwaltung, Machtverhältnisse etc. "Es ist die Kombination und Wechselwirkung dieser Faktoren, die absolut toxisch wirken kann", so Zollner - und die noch dazu die wichtige Frage der Verantwortung in einem solchen System schwer beantwortbar mache.
Erst wenn man Missbrauch vor diesem Hintergrund systemisch betrachtet, könne auch nachhaltig Missbrauch bekämpft werden und Prävention gelingen: "Es geht also um Transformation, um Reinigung, Umkehr, Bekehrung hin zu einer sensibleren, aufmerksameren Kirche, die sich überzeugter und überzeugender in der Nachfolge Jesu Christi befindet", so Zollner abschließend.
Der aus Regensburg stammende Jesuit Zollner ist Theologe und Psychologe. In Rom leitet er das "Institut für Anthropologie - Interdisziplinäre Studien zur Menschenwürde und zur Sorge für Schutzbefohlene" (IADC) an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Er hat kirchliche Mitarbeiter und Führungskräfte in zahlreichen Ländern in Verfolgung und Vorbeugung von sexuellem Missbrauch geschult.
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Leo XIV. tue "alles in seiner Macht Stehende, um sicherzustellen dass die vielfältigen Formen von Missbrauch untersucht, angegangen und in der Vorbeugung wirksam verhindert werden"