Glaubensgemeinschaft lädt zu Friedensgebet mit Präsident Vural, veranstaltet Freitagsgebete für Opfer des Villacher Anschlags und beteiligt sich auch am ökumenischen Gedenken am Dienstag
Wien, 18.02.2025 (KAP) Zu einem islamischen Friedensgebet in Villach in Gedenken an die Opfer des Terroranschlags vom vergangenen Samstag hat die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) eingeladen. IGGÖ-Präsident Ümit Vural wird am kommenden Freitag, 21. Februar, um 13.30 Uhr im Bosniakischen Kulturzentrum der Stadt gemeinsam mit weiteren hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern der Glaubensgemeinschaft anwesend sein, ist einer Mitteilung vom Dienstag zu entnehmen. Zudem werden beim dieswöchigen Freitagsgebet in allen Moscheen der IGGÖ österreichweit Bittgebete für die Opfer des Terroranschlags und ihre Hinterbliebenen gesprochen. "Diese Gebete sollen Trost spenden und die Solidarität der muslimischen Gemeinschaft mit allen Betroffenen zum Ausdruck bringen", hieß es.
Bereits für Dienstagabend (18. Februar) haben der Leiter der Villacher Moschee und zugleich IGGÖ-Schuraratsvorsitzende Esad Memi gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Islamischen Religionsgemeinde Kärnten ihre Teilnahme an der offiziellen Trauerveranstaltung in Villach angekündigt, "um die Solidarität und das Mitgefühl der muslimischen Gemeinschaft zu unterstreichen", so die Aussendung. Ein Gedenkmarsch unter Glockengeläut aller christlichen Kirchen Villachs und ein vom ORF übertragener ökumenischer Gottesdienst in der Stadthauptpfarrkirche St. Jakob mit Diözesanbischof Josef Marketz und Superintendent Manfred Sauer bilden den Höhepunkt des gemeinsamen Gedenkens der Religionen und der Stadt Villach, zu dem sich auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg angekündigt hat.
Auch das für Freitagnachmittag angesetzte muslimische Gebet soll "ein Zeichen für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die klare Ablehnung von Gewalt" sein sowie auch von "Einheit, Respekt und Dialog", teilte die IGGÖ mit. Alle Interessierten seien eingeladen, "teilzunehmen und gemeinsam für eine friedliche Gesellschaft einzutreten". Die Glaubensgemeinschaft bete für die Opfer von Gewalt und Terror und setze sich für ein "respektvolles, friedliches Miteinander" ein, erklärte Imam Esad Memi, der weiters auch Fachinspektor für den islamischen Religionsunterricht ist. Die neue Moschee in Villach sei ein "Symbol für den Dialog und das friedliche Zusammenleben aller Menschen in unserer Stadt".
Gebete statt Demonstrationen
Religiöse Muslime würden ihre abneigende Haltung zu Radikalisierung und Terror viel eher durch Gebete Ausdruck verleihen als durch Teilnahme an Demonstrationen, erklärte IGGÖ-Sprecherin Valerie Mussa am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress. Die sonst in Österreich übliche "Demonstrationskultur" existiere im Islam in dieser Form nicht, "für viele Muslime spielt im Hinterkopf wohl auch die Gefahr mit, die in ihren Herkunftsländern mit dem Demonstrieren verbunden ist".
Mussa begrüßte im Interview auch das Ergreifen jeglicher Maßnahmen zur Verhinderung von Online-Radikalisierung und zur Gewährleistung der Sicherheit in Österreich, sofern diese im Einklang mit den Grundrechten stünden. Auch ihre Glaubensgemeinschaft versuche, in den Moscheen gegen Radikalisierung zu immunisieren, "das Problem ist jedoch, dass die potenziellen Täter erst gar nicht die Gebetshäuser kommen", gab die IGGÖ-Sprecherin zu bedenken. Rechtliche Maßnahmen seien daher erforderlich.
Radikalisierung im Internet
Auf das Problem der Radikalisierung im Internet hatte am Montagabend auch der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide gewarnt. Eine neue Generation radikalislamistischer Prediger - sogenannte "Hass-Influencer" - spreche heute gezielt über Soziale Medien junge Menschen an und verbreite dabei emotionalisierte, antiwestliche Botschaften in kurzen und prägnanten Formaten, sagte der Leiter des wissenschaftlichen Beirates der Dokumentationsstelle Politischer Islam in der ORF-Sendung ZIB 2. Diese Radikalisierung finde zunehmend "unter dem Radar" statt und es sei schwer, sie zu kontrollieren.
Außer Präventionsmaßnahmen hielt der Islamwissenschaftler auch notwendig, bestimmte Plattformen strenger zu regulieren und Alterszugänge zu kontrollieren. Verstärkte Gegenmaßnahmen im digitalen Raum sollten nicht nur extremistische Inhalte unterbinden, sondern auch alternative islamische Angebote schaffen, die eine weltoffene und friedliche Interpretation des Islam vermitteln. Islamistische Narrative sollten dabei durch "positive Erzählungen über das friedliche Zusammenleben" durchbrochen werden, forderte Khorchide.
Als ein bei den Anschlägen oft mitspielendes Problem bezeichnete der an der Universität Münster lehrende Experte die Verknüpfung islamistischer Ideologien mit bestimmten Männlichkeitsbildern. Junge Männer, die sich perspektivlos fühlten, könnten durch antiwestliche Propaganda und Gewaltverherrlichung zur Radikalisierung verleitet werden. Besonders die zunehmende Zahl von Einzeltätern, die sich innerhalb weniger Monate über soziale Medien radikalisierten, stelle eine neue Herausforderung dar. Die Politik und Religionsgemeinschaften sollten dabei an einem gemeinsamen Strang ziehen.
Attentat von Villach
Konkreter Anlassfall war das Attentat eines 23-jährigen Mannes, der am Samstagnachmittag in der Villacher Innenstadt auf mehrere Passanten eingestochen und einen von ihnen getötet hatte. Der mutmaßliche Täter, ein in Österreich aufenthaltsberechtigter syrischer Staatsbürger, wurde nach kurzer Zeit festgenommen. Ein aus Syrien stammender Essenszusteller soll mit seinem Wagen auf den Angreifer losgefahren sein und damit wohl noch Schlimmeres verhindert haben, so die Polizei. Laut Polizeiangaben starb ein 14-jähriger Jugendlicher, fünf Personen wurden verletzt, mehrere von ihnen schwer. Drei Schwerverletzte werden nach wie vor auf der Intensivstation behandelt, ihr Zustand war zuletzt stabil. Wie es hieß, habe sich der Täter durch islamistische Internet-Videos radikalisiert.
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