Jesuit Mertes warnt vor politischem Missbrauch des Familienbilds
30.12.202513:53
Deutschland/USA/Kirche/Familie/Familienplanung
Theologe kritisiert zunehmende Spiritualisierung der Politik in USA
Hamburg, 30.12.2025 (KAP/KNA) Die katholische Kirche muss laut dem Theologen Klaus Mertes (71) aufpassen, dass das von ihr favorisierte klassische Familienbild nicht politisch missbraucht wird. "Sie lässt das immer wieder geschehen, und das ist ein Problem", sagte der Jesuit im "Christ und Welt"-Interview mit der "Zeit" vom Dienstag. Als Lehrer treffe er auf Kinder aus unterschiedlichen familiären Konstellationen. "Daher weiß ich: Die klassische Familie normativ so aufzuladen, wie es die katholische Kirche tut, führt zu Diskriminierung von Gläubigen, die nicht so leben."
Mit Blick auf die rechtspopulistische Bewegung, die das klassische Familienbild ebenfalls befürwortet, sagte Mertes, man dürfe nicht den Fehler machen, dieses Familienbild mit dem Rechtspopulismus gleichzusetzen. Weiter erklärte er, er misstraue Menschen, die im Namen Gottes auftreten. "Aber ich wünsche mir erfolgreichen prophetischen Einspruch gegen die Instrumentalisierung Gottes in der Politik."
Ein prominentes Beispiel hierfür: die protestantische Bischöfin Mariann Edgar Budde, die bei Donald Trumps zweiter Amtseinführung in einer Predigt für Einwanderer und sexuelle Minderheiten eintrat. "Das war eine Ehrenrettung des Christentums", würdigte Mertes ihren Mut. "Zwei, drei Sätze - und es knallt. Trumps Wut auf Budde zeigt, wie geistvoll ihre Predigt war."
"Sie missbrauchen den Namen des Herrn"
Gerade in den USA trügen Trump, sein Stellvertreter JD Vance und der Milliardär Peter Thiel dazu bei, ihre Politik spirituell aufzuladen. Dabei sei es schwer, "die biblischen Denkfiguren aus dem autoritären Zugriff wieder herauszulösen". Und weiter: "Jedenfalls tut es mir weh, zu sehen, wie sie den Namen des Herrn missbrauchen. Sie missbrauchen die Geschichten der Bibel. Etwas, das mir kostbar ist. Da kommt ein wahnsinniger Zorn in mir hoch."
Der Theologe betonte: "Das Katholische ist mit dem Völkischen nicht vereinbar." Schließlich stehe es seit 2.000 Jahren für die Vision, unterschiedliche Völker und Kulturen zusammenzubringen. "Das Trennende zwischen den Völkern wird durch die Geist-Sendung aufgehoben." Das mache Papst Leo sehr deutlich: "Er hat die Bischofskonferenz der USA aufgefordert, zu den Deportationen von Einwanderern Stellung zu beziehen. Die Menschen, die da verschleppt werden, sind, nebenbei gesagt, überwiegend Katholiken mit lateinamerikanischen Wurzeln. Unter dem Druck des Papstes hat eine politisch gespaltene Bischofskonferenz sich dazu durchgerungen, den US-Präsidenten gemeinsam zu kritisieren."