Wiener Caritas-Direktor Schwertner warnt in "Kurier"-Interview vor Kürzungen bei Sozialhilfe, fordert strukturelle Reformen und plädiert für starken Wirtschaftsstandort
Wien, 25.12.2025 (KAP) Wiens Caritas-Direktor Klaus Schwertner warnt angesichts aktueller Sparmaßnahmen bei Sozialleistungen eindringlich vor Kürzungen "im Panikmodus". In einem Interview mit dem "Kurier" (25. Dezember) kritisierte Schwertner besonders Einschnitte bei Sozialhilfe und familienbezogenen Leistungen und forderte ein Ende des "Wettbewerbs nach unten" zwischen den Bundesländern. Sparen dürfe nicht auf Kosten der Ärmsten gehen, so Schwertner, denn "wer bei den Ärmsten spart, spart auch beim gesellschaftlichen Zusammenhalt".
"Rund 336.000 Menschen in diesem Land können es sich nicht leisten, ihre Wohnung angemessen zu heizen. Sie können keine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung über den ganzen Monat sicherstellen. Sie stehen am Monatsende vor der Frage: essen oder heizen?", wies Schwertner auf Armut in Österreich hin. Er habe zwar Verständnis für Sparmaßnahmen, jedoch nicht "für die Art und Weise, wie diese Sparmaßnahmen derzeit vorgenommen werden".
Kritik an Kürzungen und fehlender Koordination
Kritisch betrachtete Schwertner etwa die ausgesetzte Valorisierung von Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld sowie Einschränkungen bei Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose. Besonders problematisch sei die Entwicklung bei der Sozialhilfe, wo es bereits vor einer gemeinsamen Reform von Bund und Ländern zu einem "Wettbewerb nach unten" gekommen sei. "Da frage ich mich schon: Was ist eigentlich das Ziel? Eine größere Kluft zwischen Arm und Reich?", so Schwertner.
Die aufgeheizte politische Debatte über Sozialhilfe bezeichnete Schwertner als vielfach "menschenverachtend". Betroffen seien Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Mindestpensionistinnen und -pensionisten, "die ihr Leben lang gearbeitet haben". Über diese Menschen werde gesprochen, "als wären sie ein Problem. Das muss sofort aufhören", forderte der Caritas-Direktor.
Kein Sparen beim letzten sozialen Netz
Nötig seien strukturelle Reformen, so Schwertner, der das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz positiv herausstrich. Der geplante Sozialtarif werde Tausenden Menschen helfen und zeige, "dass es beides braucht - eine starke Wirtschaft und einen starken Sozialstaat". Ein starker Sozialstaat lasse sich "nur mit einer starken Wirtschaft leisten".
Neujahrswünsche: Wirtschaft stärken, Sozialhilfe neu ordnen
Entsprechend formulierte Schwertner auch seine Neujahrswünsche: eine "klare Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich, damit Menschen Arbeit haben, von der sie leben können", sowie ein Ende des föderalen Fleckerlteppichs bei der Sozialhilfe ab 2026. Ziel müsse eine österreichweit einheitliche "echte, bedarfsorientierte Mindestsicherung inklusive Kindergrundsicherung" sein.
In der Debatte über Sozialhilfe werde zu stark mit einzelnen Extremfällen gearbeitet, die Neidgefühle auslösten, kritisierte Schwertner; konkret nannte er Familien mit sehr vielen Kindern und hohen Absolutbeträgen. Das Thema werde jedoch fast ausschließlich mit Migration verknüpft. Es fehle der gesamtheitliche Blick, etwa auf die Einhaltung der Grundversorgungsquote oder auf integrationsfördernde Maßnahmen.
Risse im sozialen Fundament
Auch Wien nahm der Caritas-Direktor nicht aus der Kritik. Er sei "sehr unzufrieden", dass in einer Stadt mit starkem sozialem Fundament Maßnahmen gesetzt würden, "die zu Rissen in diesem Fundament führen könnten". Als Beispiel nannte er die Schließung eines sozialpsychiatrischen Zentrums der Caritas nach über 40 Jahren infolge gestrichener Förderungen.
Mit Sorge beobachtet Schwertner zudem eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung. Zwar erlebe er viel Mitmenschlichkeit und ehrenamtliches Engagement, zugleich würden politische Kräfte gezielt Ängste schüren. "Es wird ganz stark mit Angst gearbeitet", so Schwertner, der zugleich vor einer Instrumentalisierung von Minderheiten warnte. Zur Kopftuchdebatte meinte der Caritas-Direktor, er fände es "irritierend", wenn auf seine Tochter Druck ausgeübt würde, ein Kopftuch zu tragen. Politik müsse sowohl islamistische Tendenzen als auch Fremdenfeindlichkeit bekämpfen; jedoch "nicht einseitig".