Papst übt Kritik an der Militarisierung des Denkens
18.12.202515:14
Vatikan/Papst/Krieg
Leo XIV. beklagt in Botschaft zum kirchlichen Weltfriedenstag am 1. Jänner 2026 Aufrüstung und die Logik des Freund-Feind-Schemas - Papst: Religiöse Gewalt ist Blasphemie
Vatikanstadt, 18.12.2025 (KAP) Papst Leo XIV. hat seine erste Botschaft zum 59. Weltfriedenstag am 1. Jänner 2026 veröffentlicht. Sie trägt den Titel "Der Friede sei mit euch allen: hin zu einem 'entwaffneten und entwaffnenden' Frieden". In dem Schreiben ruft er die Menschen zu einem friedfertigen Denken auf. Scharfe Kritik übt er vor dem Hintergrund einer "globalen Destabilisierung, die jeden Tag dramatischer und unvorhersehbarer wird", an einer um sich greifenden Militarisierung in den Köpfen, an steigenden Rüstungsausgaben und an einer religiösen Überhöhung des Krieges.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben: "Wenn der Friede keine gelebte Wirklichkeit ist, die es zu bewahren und zu pflegen gilt, dann macht sich Aggressivität sowohl im privaten als auch im öffentlichen Leben breit. Dann wird (...) es als Verfehlung angesehen, dass man sich nicht ausreichend auf den Krieg vorbereitet, darauf, auf die Angriffe anderer reagieren und Gewalt erwidern zu können. Auf der politischen Ebene ist diese - weit über den Grundsatz der legitimen Verteidigung hinausgehende - Logik der Gegensätzlichkeit der derzeit relevanteste Umstand für die globale Destabilisierung, die jeden Tag dramatischer und unvorhersehbarer wird."
Deutliche Kritik übt der Papst auch an steigenden Rüstungsausgaben. Diese würden "mit der Gefährlichkeit anderer gerechtfertigt". Doch stehe das "Abschreckungspotenzial durch Macht und insbesondere nukleare Abschreckung für die Irrationalität von Beziehungen zwischen Völkern, die nicht auf Recht, Gerechtigkeit und Vertrauen beruhen, sondern auf der Angst und der Herrschaft der Stärke".
Gefahren der KI
Leo XIV. verwies außerdem auf die Risiken des Einsatzes künstlicher Intelligenz im militärischen Bereich. Dies führe zu einem zunehmenden Delegieren der Verantwortung von Entscheidungen über Leben und Tod von Menschen an Maschinen. "Dies ist eine bislang beispiellose Spirale der Zerstörung jenes Humanismus in Recht und Philosophie, auf dem eine jede Zivilisation beruht und durch den sie geschützt wird", mahnte der Papst.
Neben einer massiven und teuren Aufrüstung beklagt der Papst in dem Schreiben auch eine "Neuausrichtung der Bildungspolitik: Statt einer Kultur der Erinnerung, die das im 20. Jahrhundert gewonnene Problembewusstsein bewahrt und die Millionen Opfer jenes Jahrhunderts nicht vergisst, werden Kommunikationskampagnen und Bildungsprogramme in Schulen und Universitäten sowie in den Medien vorangetrieben, die Bedrohungswahrnehmungen verbreiten und eine rein militärisch geprägte Vorstellung von Verteidigung und Sicherheit vermitteln."
Religiöse Gewalt ist Blasphemie
Glaubende und Nichtglaubende ruft der Papst in der Botschaft auf, sich "für den Frieden zu öffnen". Weiter schreibt er: "Der Friede ist ein Grundsatz, der unsere Entscheidungen leitet und bestimmt. Selbst an Orten, an denen nur noch Trümmer übrig sind und die Verzweiflung unvermeidlich scheint, finden wir gerade heute Menschen, die den Frieden nicht vergessen haben."
Die Religionen müssten "wachsam bleiben angesichts der zunehmenden Versuche, sogar Gedanken und Worte zu Waffen zu machen", so Leo. Leider gehöre es zunehmend zum derzeitigen Gesamtbild, "dass Worte des Glaubens Einzug halten in politische Kämpfe, dass Nationalismus gepriesen wird und dass Gewalt und bewaffneter Kampf religiös gerechtfertigt werden", schreibt der Papst.
"Die Gläubigen müssen diesen Formen der Blasphemie, die den heiligen Namen Gottes verdunkeln, aktiv entgegentreten, in erster Linie durch ihre Lebensweise", ruft Leo unter anderem dazu auf, den ökumenischen und interreligiösen Dialog als Wege des Friedens und als Formen der Begegnung zu pflegen. Mehr denn je sei es heute nötig, zu zeigen, "dass der Friede keine Utopie ist".
Diplomatie und UN stärken
Staatenlenker ruft der Papst mit Worten seines Vorgängers Johannes XXIII. in dessen Enzyklika "Pacem in terris" von 1963 dazu auf, die Beziehungen der Staaten in einem Gleichgewicht zu gestalten, das auf gegenseitigem Vertrauen, aufrichtiger Gesinnung bei Vertragsschlüssen und unverletzlichen Vereinbarungen gegründet ist. "Dies ist der entwaffnende Weg der Diplomatie, der Vermittlung, des Völkerrechts, der leider durch immer häufigere Verstöße gegen mühsam erzielte Vereinbarungen konterkariert wird, in einem Kontext, der nicht die Delegitimierung, sondern vielmehr eine Stärkung der supranationalen Institutionen angebracht erscheinen lässt", so Leo XIV.
Ausdrücklich bekannte sich der Papst zu einem weitgehenden, religiös motivierten Pazifismus - ohne jedoch dabei das Recht auf legitime Selbstverteidigung in Frage zu stellen. Er erklärte: "Der Friede des auferstandenen Jesus ist unbewaffnet, weil sein Kampf unter ganz bestimmten historischen, politischen und sozialen Umständen unbewaffnet war. Die Christen müssen von dieser Neuheit gemeinsam prophetisch Zeugnis ablegen, eingedenk jener tragischen Ereignisse, an denen sie allzu oft mitgewirkt haben."
In zehn Sprachen
Der Text der päpstlichen Friedensbotschaft wurde vom vatikanischen Presseamt diesmal in zehn Sprachen verbreitet. Zusätzlich zu den sonst üblichen Fremdsprachen gab es auch offizielle Übersetzungen auf Russisch sowie auf Ukrainisch. Am Beginn seiner Botschaft schreibt der Papst, der Friede, den Jesus Christus verkünde, sei "ein unbewaffneter und entwaffnender Friede, demütig und beständig. Er kommt von Gott, dem Gott, der uns alle bedingungslos liebt."
Wie zu Zeiten Jesu sei auch heute der Gegensatz zwischen Dunkelheit und Licht die "Erfahrung, die uns in den historischen Umständen, in denen wir leben, durchdringt und erschüttert". Es sei nötig, das Licht zu sehen und daran zu glauben, um in der Dunkelheit nicht zu versinken.
Der Weltfriedenstag wird von der katholischen Kirche alljährlich am 1. Jänner begangen. Papst Paul VI. führte den Weltfriedenstag zu Neujahr 1968 ein, um angesichts des Wettrüstens zwischen Ost und West und zahlreicher Kriege in der Welt den Frieden zu fördern. Seither veröffentlichen die Päpste vorab eine Botschaft zu diesem Gedenktag, in der sie jeweils einen Aspekt des Themas vertiefen.