Tiroler Priester macht Erfahrung als Missbrauchs-Opfer öffentlich
05.12.202515:21
Österreich/Italien/Missbrauch/Kirche
Innsbrucker Pfarrer Anno Schulte-Herbrüggen: "Was mich motiviert, ist der Wunsch, andere Betroffene zu ermutigen"
Innsbruck, 05.12.2025 (KAP) Betroffenen von Missbrauch Mut machen, das Schweigen zu überwinden: Das will der Innsbrucker Pfarrer Anno Schulte-Herbrüggen. Als erster katholischer Priester in Österreich, der dies auf eine solche Weise öffentlich machte, sprach der 60-Jährige am Donnerstagabend in der ORF-Sendung "Tirol heute" offen darüber, dass er als junger Mann und Theologiestudent Opfer sexueller Gewalt durch einen Ordensangehörigen in Südtirol geworden ist.
"Was mich motiviert, ist der Wunsch, andere Betroffene zu ermutigen. Ich bin zwar jetzt der erste Priester in Österreich, der diesen Schritt gemacht hat. Aber ich bin überzeugt, ich bin nicht der Einzige", sagte Schulte-Herbrüggen. Er wolle auch gegen die strukturellen Wurzeln von Missbrauch arbeiten, "damit da was weitergeht in unserer Kirche".
Die Diözese Innsbruck begleitet den "mutigen Schritt" des Priesters "mit Respekt und Anerkennung", wie die Verantwortlichen in einer Stellungnahme erklärten: "Dass er seine persönliche Geschichte öffentlich macht, ist ein starkes Zeichen für Offenheit und Verantwortung. Sein Anliegen, das Schweigen zu überwinden und andere Betroffene zu ermutigen, verdient unsere volle Unterstützung. Uns ist bewusst, wie schwer dieser Schritt für ihn ist, und wir würdigen ihn als wichtigen Beitrag zu einer Kultur des Hinschauens und der Verantwortung."
Im ORF-Gespräch berichtete Schulte-Herbrüggen von dem Missbrauch, der sich vor vier Jahrzehnten in einem Haus des Deutschen Ordens in Südtirol ereignete. Traumatisiert von dem Geschehenen und der Reaktion eines Mitbruders, dem er sich anvertraute, beschloss der damals 19-Jährige zu schweigen. Nach dem Studium wird Schulte-Herbrüggen Priester, ist unter anderem Dekan in Osttirol und seit 2023 Pfarrer der Pfarre Maria Hilf in Innsbruck.
Als 2022 das Gutachten zu sexuellem Missbrauch in der bayerischen Erzdiözese München und Freising veröffentlicht wird, fasst Schulte-Herbrüggen den Entschluss, gegen den Täter, der mittlerweile verstorben war, Anzeige zu erstatten. Umfassende Unterstützung bekommt er bei der Unabhängigen Ombudsstelle für Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch in der Diözese Innsbruck. Den nächsten Schritt setzt der Priester, als vor wenigen Wochen Berichte über Fälle von Gewalt und Missbrauch in österreichischen SOS-Kinderdörfern bekannt werden. Schulte-Herbrüggen beschließt, als Betroffener von Missbrauch in der Kirche öffentlich zu sprechen.
Die Diözese Innsbruck betont, dass man den "eingeschlagenen Weg für Prävention, Transparenz und eine Haltung des Hinschauens" mit noch mehr Konsequenz fortsetzen wolle. "Wir ermutigen alle, die betroffen sind, sich an die unabhängige Ombudsstelle zu wenden. Dort finden Betroffene vertrauliche Beratung und Begleitung für weitere Schritte."
(Unabhängige Ombudsstelle für Betroffene von Gewalt und sexuellem Missbrauch in der Diözese Innsbruck: Tel.: +43 676 8730-2700, E-Mail: ombudsstelle@dibk.at, www.dibk.at/ombudsstelle; Website mit Kontaktmöglichkeiten zu allen Ombudsstellen gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch im kirchlichen Bereich: www.ombudsstellen.at)