Caritas-Interessenvertreter fordern konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention - Caritasdirektor Schwertner: Jüngste Sparmaßnahmen treffen auch Menschen mit Behinderung - Bereichsleiterin Benczur-Juris: Inklusion ist kein nettes Extra, sondern ein Menschenrecht
Wien, 27.11.2025 (KAP) Im Vorfeld des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung (3. Dezember) haben Interessenvertreter aus Tagesstätten und Wohngruppen der Caritas mehr Inklusion und die konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gefordert. Bei einem Pressegespräch unter dem Motto "Selbstbestimmt leben" wiesen sie etwa auf das Recht auf Barrierefreiheit, das Recht auf Information und das Recht auf selbstbestimmtes Leben hin. Österreich habe der Konvention 2008 vertraglich zugestimmt und sich zur echten Inklusion verpflichtet. "Doch derzeit erleben wir eher Rückschritte als Fortschritte - besonders im Bildungsbereich", bemängelte Sabine Benczur-Juris, Bereichsleitung Menschen mit Behinderung der Caritas der Erzdiözese Wien. Inklusion sei aber kein "nettes Extra", sondern ein Menschenrecht.
Der Wiener Caritasdirektor Klaus Schwertner kritisierte die jüngsten Sparmaßnahmen, die auch Menschen mit Behinderung treffen. Er verwies auf das Sozialpsychiatrische Zentrum der Caritas in Wien, das aufgrund fehlender Finanzierung der Stadt nach rund 40 Jahren schließen muss. "Sparen sollte nicht auf dem Rücken jener passieren, die ohnedies schon unter Druck stehen", so Schwertner. Bei allen finanziellen Zwängen von Bund, Ländern und Gemeinden dürfe das Stärken von Inklusion und ein gutes Leben für alle nicht aus dem Blick geraten, warnte er vor weiteren Sparmaßnahmen.
Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung gebe Anlass, darauf aufmerksam zu machen, dass "Menschen mit und ohne Behinderung noch immer nicht die gleichen Chancen und Rechte haben", zum Beispiel in der Schule, in der Arbeit oder in der Freizeit, betonte Johannes Wickenhauser, Interessenvertreter aus Retz. Auch Menschen mit Behinderung hätten das Recht, in allen Lebensbereichen selbst Entscheidungen zu treffen. Jeder Mensch mit Behinderung habe Fähigkeiten, Talente und Leidenschaften, "auch wenn man sie nicht gleich sieht". Es sei ein großes Problem, "dass uns viele unterschätzen oder überschätzen. So wird man oft nicht wahrgenommen. Wir wollen, dass unsere Anliegen gehört, respektiert und angenommen werden!"
Recht auf Information
Bernhard Kopp, Interessenvertreter aus Mühlbach, verwies auf das in der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbarte Recht, dass jede Person über ihren Aufenthaltsort, ob sie alleine oder mit anderen Personen zusammenwohnen will und wo und was sie arbeitet, bestimmen können soll. Das bedeute auch, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderung ohne Hindernisse selbstbestimmt leben können, forderte Kopp. Bahnhöfe müssten einen Aufzug haben, Busse auch abseits von Hauptverkehrsrouten barrierefrei sein; ebenso Kaffeehäuser, Restaurants oder Arztpraxen. Barrierefreiheit umfasse zudem auch das Recht auf Information, so Kopp: etwa in Form von Vorleseprogrammen, Leichter Sprache, Blindenschrift und Unterstützter Kommunikation. "Dafür muss Österreich sorgen."
"Alle Menschen müssen mehr über Menschen mit Behinderung wissen." Auch das stehe in der UN-Behindertenrechtskonvention, betonte Raphael Leonardelli, Interessenvertreter aus Laa. Es dürfe keine Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung geben und keine Diskriminierung. "Menschen mit Behinderung haben Stärken und Fähigkeiten und sind wertvoll für die Gesellschaft. Auch sie haben ein Recht auf Arbeit und einen fairen Lohn." Dafür müsse Österreich die Gesellschaft über Menschen mit Behinderung informieren, welche Rechte Menschen mit Behinderung haben, wie man mit ihnen umgeht, wie man unterstützen kann und welche Unterstützung sie benötigen.
Weitere Aktionen
Dem Pressegespräch folgt eine Reihe von Aktivitäten rund um den Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung. Am 2. Dezember setzt die Caritas in St. Pölten gemeinsam mit LH Johanna Mikl-Leitner ein Zeichen: Der Klangturm wird lila beleuchtet - eine Farbe, die österreichweit für Inklusion, Teilhabe und Vielfalt steht, wie die Caritas informierte. In Niederösterreich schließen sich zahlreiche Orte an: Unter anderem erstrahlen das Gemeindeamt und die Mariensäule in Retz, die Wallfahrtskirche, die Caritas-Tagesstätte und das Wohnhaus Franziska in Lanzendorf in kräftigem Lila. In Wien wird am 3. Dezember im Kulturhaus Brotfabrik die Ausstellung "Gesichter der Vielfalt" gezeigt, die mit über 70 großformatigen Fotografien der Mediengruppe Krumbach die Einzigartigkeit von Menschen mit und ohne Behinderung sichtbar machen will.