Das Konzilsdokument "Über die Kirche in der Welt von heute" legt eine zeitgemäße Basis für den Dialog und die Zusammenarbeit mit der Welt und hat sich als einer der wirkmächtigsten Texte des Zweiten Vaticanums erwiesen
Wien, 26.11.2025 (KAP) Das Konzilsdokument "Über die Kirche in der Welt von heute", ist nicht nur das umfangreichste in der Konzilsgeschichte, als "Pastorale Konstitution" stellt "Gaudium et spes" auch einen neuen Typus dar. Dies war mit ein Grund, dass das Dokument bei der Schlussabstimmung am 7. Dezember 1965 zwar 2.309 Ja-Stimmen erhielt, aber mit 75 die höchste Zahl an Gegenstimmen im Vergleich zu den anderen Konzilskonstitutionen. Dennoch zählt der Beginn des Dokuments zu den am häufigsten zitierten Passagen des Konzils. In ihr wird der neue Ansatz hinsichtlich Inhalt und Methode deutlich, wenn es heißt: "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi."
Das ursprünglich nicht vorgesehene Dokument geht auf einen Wunsch von Papst Johannes XXIII. zurück und ist zugleich eine Frucht der Dynamik des Konzils. Es richtet sich nicht nur an Katholiken, sondern an alle Menschen und ist Ausdruck des vom Konzilspapst geforderten "aggionamento". "Gaudium et spes" vollzieht eine dialogische Öffnung hin zur Moderne, der die Kirche - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Antimodernismus-Debatten - bis dahin reserviert und defensiv gegenüberstand. Deutlich wird es im Verzicht auf die Wiederholung von Verurteilungen der "Irrtümer der Zeit". Demgegenüber will die Kirche mit der Pastoralkonstitution die "Zeichen der Zeit" im Licht des Evangeliums deuten, um daraus den Willen Gottes zu erkennen.
Dienende und begleitende Kirche
Diese Haltung zeigt sich auch im Aufbau jener großen Themenbereiche, die im zweiten Hauptteil des Dokuments behandelt werden: Ehe und Familie, Kultur, Wirtschaft, Politik sowie Frieden und Völkergemeinschaft. Immer folgt nach einer Situationsbeschreibung eine Beurteilung aus dem Glauben und eine Darstellung der Aufgaben und Möglichkeiten der Kirche im jeweiligen Bereich. Jeder Themenbereich endet mit einer theologischen Vertiefung im Blick auf Jesus Christus.
In der Pastoralkonstitution spricht eine dienende und begleitende Kirche im Gegensatz zu einer belehrenden Kirche. Sie weiß sich tief verbunden mit der Menschheit und ihrer Geschichte und benennt auch ihre eigene Schuldgeschichte. Deutlich wird das beispielsweise in der Haltung zum Atheismus, mit dem sich das Konzil - nicht zuletzt auf Initiative von Kardinal Franz König - sehr konstruktiv auseinandersetzt und dabei in Artikel 19 sogar von einem erheblichen Anteil der Gläubigen an seinem Entstehen spricht.
Viel diskutiert unter den Konzilsvätern war der Text über die Würde des sittlichen Gewissens. Es betont die personal verstandene Gewissensfreiheit als oberste Norm ethischen Handelns. "Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen" heißt es in Artikel 16. Das Konzil betont die Verpflichtung zur Bildung des Gewissens, durch das jenes sittliche Gesetz erkannt wird, das Gott dem Menschen bereits ins Herz geschrieben hat.
Einsatz für Menschenrechte
"Gaudium et spes" fundiert die positive Haltung zur Welt und zur Menschheit, indem diese als eine letztlich von Gott her begründete Menschheitsfamilie beschrieben wird. Das Konzil bestätigt und vertieft damit das schon unter Papst Johannes XXIII. mit der Friedensenzyklika "Pacem in terris" positiv formulierte Verständnis von Menschenrechten, die die Kirche nach Kräften fördern will. Dabei versteht sich die Kirche vor allem als "Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person" (Art. 76). Das Dokument selbst dupliziert nicht bereits bestehende Menschenrechtskataloge. Vielmehr geht es um den Einsatz der Kirche für die Menschenrechte im konkreten Blick auf die vielfältigen Verletzungen, sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten bis hin zur absoluten Ächtung des Krieges.
Gemeinsam mit der Erklärung "Dignitatis humanae" über die Religionsfreiheit legt die Pastoralkonstitution ein neues Fundament für den Dialog und die Zusammenarbeit mit der Welt, bei dem Laienchristen und die Kirche gleichermaßen gefordert sind. "Gaudium et spes" hat sich von daher als eines der wirkmächtigsten Konzilsdokumente erwiesen.
(Weitere Meldungen und Hintergrundberichte zum Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 60 Jahren im Kathpress-Themenpaket unter www.kathpress.at/60-Jahre-Konzilsende)