Grünwidl: Pfarren als "spiritueller Nahversorger mit Vision" stärken
17.10.202516:42
Österreich/Kirche/Grünwidl
Designierter Erzbischof nach seiner Ernennung: Durch Offenheit und Gastfreundschaft Gemeinschaft ermöglichen und Evangelium lebensnah verkünden - Breites, vielfältiges Angebot und ein "Miteinander, nicht Gegeneinander" vonnöten
Wien, 17.10.2025 (KAP) Für eine Perspektive der Hoffnung und Zuversicht will sich der am Freitag ernannte künftige Erzbischof von Wien, Josef Grünwidl, in der Kirche stark machen. Angesichts heutiger Herausforderungen sei "keine Untergangsstimmung" angesagt, sondern vielmehr "Vision statt Resignation", erklärte der 62-Jährige bei einer Pressekonferenz unmittelbar nach seiner Bestätigung durch den Papst auf Anfragen der Journalisten. Sorgen müsse sich die Kirche nicht vorrangig um Strukturfragen, sondern darum, wie der Glaube und kirchliches Leben lebendig bleibe. Dazu gelte es, die vielen kleinen Gemeinden und Gemeinschaften der Kirche zu unterstützen, "auch wenn in absehbarer Zeit vielleicht kein Priester mehr da ist oder es nicht mehr an jedem Sonntag eine Messe gibt".
Um Menschen neu zu begeistern oder Ausgetretene zurückzugewinnen, solle die Kirche vor allem auf Offenheit, Gastfreundschaft und aktive Einladung setzen. Es brauche nicht primär neue Strukturen oder spektakuläre Reformen, sondern eine bewusste Rückbesinnung auf die spirituellen Schätze der Kirche, sagte Grünwidl. "Viele erwarten sich große Neuerungen - ich glaube aber: Wir haben in der Kirche schon so viel: Räume, Kunst, Musik, Rituale, Sakramente, das Wort Gottes, eine Feierkultur - Schätze, die wir nur zugänglich und erfahrbar machen müssen", sagte der künftige Erzbischof. Im Zeichen eines "Welcome Service" dürfe man "nicht darauf warten, bis Menschen zu uns kommen - und dann vielleicht auf verschlossene, unfreundliche Türen stoßen", sondern müsse auf sie selbst zugehen. Ziel sei es, Gemeinschaft zu ermöglichen und das Evangelium lebensnah zu verkünden.
Pfarren, Orden, Bewegungen, Jugend
Die Kirche in Österreich sei reich an geistlichen Ressourcen, von Pfarren über Orden bis hin zu Kunst und Kultur. Diese Vielfalt gelte es zu nutzen. Berichte über einen großflächigen Kirchenverkauf - aktuell etwa im Fall Hirschwang - relativierte der neue Erzbischof: "Es gibt keinen Plan, hunderte Kirchen zu schließen. Es wird schmerzhafte Einschnitte geben, aber das ist nicht das zentrale Problem." Vielmehr gehe es darum zu überlegen, wie die Kirche trotz demografischem Wandel und Mitgliederverlust ihre Sendung weiter erfüllen könne. Die 600 Pfarren der Erzdiözese Wien seien dabei nicht das einzige Standbein der Kirche, fungierten aber weiterhin als ein "wichtiges Glaubensnetz".
Darüber hinaus gebe es auch andere "Brennpunkte" des geistlichen Lebens, etwa die kirchlichen Erneuerungsbewegungen und neuen geistlichen Gemeinschaften, "wo junge Menschen sich sammeln, hinkommen und gestärkt werden", sagte Grünwidl. Er würdigte hier auch das Wirken der Ordensgemeinschaften sowie die katholischen Privatschulen. Die Erzdiözese Wien wolle den Fokus künftig noch mehr auf Schule und Religionsunterricht legen, "denn die Lehrerinnen und Lehrer erreichen dort die Jugendlichen, die wir sonst nicht mehr erreichen", so der künftige Erzbischof. Wichtig sei ein vielfältiges, breit aufgestelltes Angebot und ein "Miteinander, nicht Gegeneinander".
Ein besonderes Augenmerk will der ernannte Erzbischof auch auf die Präsenz der Kirche in digitalen Medien legen. Unter dem Projekttitel "Die 12" baut die Erzdiözese derzeit ein junges Team auf, das sich professionell um die Entwicklung von Social-Media-Formaten kümmert. Ziel sei es, neue Wege zu finden, um mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen. Für Grünwidl eine wichtige Aufgabe, denn "wir sollten alle Möglichkeiten nutzen, um das Evangelium unter die Leute zu bringen".
Auch der Beitrag von Priestern aus dem Ausland sei für Wien unverzichtbar, betonte Grünwidl. Derzeit komme rund ein Drittel der Priester der Erzdiözese nicht aus Österreich. Diese seien aber nicht einfach angeworben worden, sondern kämen über bestehende Kontakte oder Anfragen anderer Bischöfe. Für eine erfolgreiche Integration gebe es in Wien für diese Gruppe seit Jahren ein bewährtes Ausbildungs- und Begleitprogramm, inklusive Sprachkursen und interkulturellem Training.
Zur Frage nach dem Erbe seines Vorgängers, Kardinal Christoph Schönborn, erklärte Grünwidl mit Nachdruck: "Ich habe nicht vor, in seine Fußstapfen zu treten. Ich gehe meinen eigenen Weg." Schönborn habe das Amt mit seinen Stärken und Fähigkeiten großartig ausgefüllt, aber es gehe nicht darum, ihn zu kopieren: "Ich bin nicht Christoph Schönborn, sondern Josef Grünwidl." Dennoch zeigte er sich dankbar für die Unterstützung des Kardinals in den letzten neun Monaten und auch künftig. "Wenn ich das Gefühl habe, ein Gespräch oder Rat könnte hilfreich sein, werde ich es suchen."