Grünwidl will "Seelsorger, Teamplayer, Brückenbauer" sein
17.10.202515:07
(zuletzt bearbeitet am 17.10.2025 um 16:35 Uhr)
Österreich/Kirche/Religion/Grünwidl
Künftiger Wiener Erzbischof bei Pressekonferenz nach seiner Ernennung mit Bekenntnis zu Menschennähe, synodalen Entscheidungen, Dialog und besonderem Blick auf Marginalisierte - Bischofsweihe am 24. Jänner im Stephansdom durch Kardinal Schönborn
Wien, 17.10.2025 (KAP) Der künftige Erzbischof von Wien, Josef Grünwidl, will in seiner neuen Funktion vor allem Seelsorger sein, einen gemeinsamen Weg gehen und Spaltungen überwinden. Die Seelsorge sei und bleibe "das Herz meines priesterlichen Tuns", sagte der 62-Jährige am Freitag in einer Pressekonferenz unmittelbar nach seiner Ernennung zum neuen Wiener Erzbischof durch Papst Leo XIV. Im Beisein seines Amtsvorgängers Kardinal Christoph Schönborn gab er dabei den anwesenden Journalisten Einblicke in sein Amts- und Kirchenverständnis. Ein eigenes "Programm" für sein Bischofsamt habe er in den zwei Tagen, seit er von der neuen Aufgabe erfahren habe, noch nicht erstellt, erklärte er.
Von seinen bisher 37 Priesterjahren sei er 32 in der unmittelbaren Seelsorge tätig gewesen, erklärte Grünwidl, als Kaplan, Jugendseelsorger und Pfarrer. "Ich liebe die Begegnung mit Menschen - in ihren Lebensfragen, ihrer Freude und Not. Ob bei der Geburt eines Kindes, in der Taufvorbereitung, bei Hochzeiten oder an Sterbebetten: Da möchte ich nah dran sein." Menschen sollten durch die Kirche Orientierung finden und "die Melodie Gottes" in ihrem Leben aufnehmen können, verwies der ernannte Erzbischof auf eine vom Heiligen Ignatius von Antiochien stammende Formulierung. Seelsorge helfe Menschen dabei, "dass die Melodie der Hoffnung und Zuversicht in ihnen klingt".
Als "Teamplayer" sehe er sich insofern, als er gemeinsam mit anderen nach Wegen suchen werde, kündigte Grünwidl an. Erwartungen, die ihm gegenüber etwa im diözesanen Leitungsteam gestellt würden, er möge als neuer Chef nun die Richtung vorgeben, wolle er nicht erfüllen. Kirche funktioniere nicht wie ein Konzern von oben nach unten, sondern lebe vom Gespräch, vom aufeinander Hören und Ernstnehmen jeder Stimme, insofern wolle er den von den Päpsten vorgezeichneten synodalen Weg gerne mitgehen, unterstrich der künftige Erzbischof. Auch wenn am Ende er Entscheidungen treffe, seien ihm Mitverantwortung und Beteiligung wichtig.
Als dritte Aufgabe nannte Grünwidl das Brückenbauen. Bereits innerhalb der katholischen Kirche gebe es ein breites Spektrum an Positionen, Traditionen und Meinungen, wobei es eine Hauptaufgabe des Bischofs sei, innerkirchlich für Einheit zu sorgen. Diese wolle er erreichen, indem er mit den verschiedenen Gruppen im Gespräch bleibe und Brücken baue. Auch der ökumenische und interreligiöse Dialog sei ihm ein großes Anliegen. In den letzten Monaten habe er viele wertvolle Begegnungen erlebt, insbesondere auch mit der jüdischen und muslimischen Gemeinde. "Da sind wir in Österreich und Wien auf einem sehr guten Weg, den ich weitergehen möchte", so Grünwidl.
Einsatz für Arme und Menschenwürde
Doch auch nach außen wolle er Brücken schlagen. "Kirche darf kein Selbstzweck sein, sondern soll Sauerteig sein für die Gesellschaft." Grünwidl verwies hier auf das kürzlich veröffentlichte Schreiben "Dilexi te", in dem der Papst dazu aufgerufen habe, "die Armen nicht zu vergessen". Er sei Leo XIV. sehr dankbar, dass er den von seinem Vorgänger Franziskus eingeschlagenen Weg weitergehe, betonte der neuernannte Erzbischof. Besonders nehme er sich daraus den Satz "Die Lebenssituation der Armen ist ein Schrei, der die Praxis der Kirche ständig hinterfragt" zu Herzen - "das hinterfragt auch mich als Amtsträger der Kirche ständig", so Grünwidl. Er wolle sich bemühen, mit den Armen in Kontakt zu bleiben und danke allen, die diesen Weg mit ihm gehen und unterstützen wollten.
In der politischen Debatte werde er sich nicht als ständiger Kommentator verstehen, stellte Grünwidl klar. "Aber wo es um Menschenwürde, Gerechtigkeit, Frieden, den Schutz des Lebens oder die Bewahrung der Schöpfung geht, wird die Kirche weiterhin ihre Stimme erheben." Er verwies auf die vielen positiven Beispiele von gelebter Kirche im Alltag, gäbe es doch allein in der Erzdiözese Wien mehr als 75.000 Ehrenamtliche, 2.000 Hauptamtliche und 1.400 Religionslehrerinnen und -lehrer. "Kirche ist besser als ihr Ruf. Sie lebt in den Pfarren, in geistlichen Gemeinschaften, in der Caritas, in den Schulen", so der künftige Erzbischof.
An Verzögerung auch selbst beteiligt
Ausführlich ging Grünwidl vor den Journalisten auch darauf ein, warum seine Bestellung durch Rom derart lange - über neun Monate sind seit der Emeritierung seines Vorgängers Kardinal Schönborn vergangen - gedauert habe. "Das hat auch ein bisschen mit mir zu tun", räumte er ein. Ursprünglich sei er davon ausgegangen, dass seine im Jänner angenommene Aufgabe als Apostolischer Administrator nur "sechs bis acht Wochen" dauern würde. Bald schon habe er jedoch gemerkt, wie fordernd und weitreichend diese Verantwortung sei - woraufhin er im März erkannt und auch dem Apostolischen Nuntius mitgeteilt habe, "dass ich mich nicht imstande sehe, dieses Amt dauerhaft zu übernehmen", was dieser dann auch so nach Rom übermittelt habe.
Abgeschlossen - so wie er sich das damals vorgestellt habe - sei das Thema damit aber nicht gewesen. Vielmehr habe gegolten: "In diesen neun Monaten hat sich einiges getan - in mir und um mich herum", so Grünwidl. Er habe viele Menschen getroffen, Gespräche geführt, die Vielfalt des kirchlichen Lebens in der Erzdiözese noch besser kennengelernt, vor allem aber "eine starke Erwartungshaltung gespürt": Bei Begegnungen in vielen Pfarren hätten Menschen ihm gegenüber formuliert, er möge, sofern er gefragt werde, eine Berufung als Erzbischof doch nicht ablehnen. Noch mehr aber habe ihn geprägt, dass er erkannt habe. "Gott braucht mich nicht perfekt, sondern verfügbar." Das Zusammenspiel aus dem Wunsch vieler, dem Ruf des Papstes und dem Vertrauen in Gottes Führung habe ihn schlussendlich "Ja aus vollem Herzen" sagen lassen.
Weihe am 24. Jänner durch Schönborn
Grünwidl betonte zudem, dass er sich bewusst sei, in ein "gut bestelltes Haus" einzutreten: "Kardinal Schönborn hat diese Diözese 30 Jahre lang geprägt. Ich bin dankbar für viele gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit mir diesen Weg weitergehen. Und ich spüre: In der Erzdiözese gibt es eine breite Zustimmung und viel Wohlwollen." In seine neue Aufgabe als Erzbischof wolle er nun Schritt für Schritt hineinwachsen.
Kardinal Christoph Schönborn, der mit Grünwidl am Podium saß, enthielt sich eines Statements. "Sie haben Josef Grünwidl gehört, jetzt verstehen Sie, warum ich mir gewünscht habe, dass er mein Nachfolger wird. Genügt das?", so der emeritierte Wiener Erzbischof. Er sprach zudem von einer "Kontinuität" zu seinem designierten Nachfolger, "es geht weiter". Zum Ausdruck kommen werde dies besonders im Ritus der Übergabe des Bischofsstabs bei der Zeremonie der Bischofsweihe am 24. Jänner 2026 im Wiener Stephansdom. Schönborn selbst wird dabei Grünwidls Weihespender sein.