Präsidentin Tödtling-Musenbichler lobt bundesweite Vereinheitlichung, mahnt jedoch Absicherung insbesondere von Kindern und Jugendlichen ein - Kritik an fehlenden Integrationsangeboten - Caritas Vorarlberg weist auf Situation ukrainischer Kriegsflüchtlinge hin
Wien/Bregenz, 16.09.2025 (KAP) Mit bloß verhaltenem Lob hat die Caritas Österreich die am Montag von der Bundesregierung präsentierten Eckpunkte zur Reform der Sozialhilfe aufgenommen. Zwar begrüße man, dass die Reform "jetzt auf Schiene kommt", erklärte Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler in einer Aussendung, doch gebe es nach wie vor viele offene Fragen. "Es muss sichergestellt sein, dass niemand durch Kürzungen unter das Existenzminimum rutscht", betonte die Caritas-Präsidentin. Die Reform dürfe nicht dazu führen, dass die Existenzsicherung gefährdet werde, ganz besonders nicht für jene, die sich bereits in prekären Lebenslagen befänden.
Positiv bewertete die Caritas-Präsidentin das Ziel einer bundesweiten Vereinheitlichung der Sozialhilfe. "Ein Ende des derzeitigen Fleckerlteppichs liegt im Interesse der Menschen. Gut ist auch, dass es einen Zeitplan gibt", so Tödtling-Musenbichler.
Unklar blieben jedoch viele Details, insbesondere "wie rechtliche Absicherung und Existenzsicherung gewährleistet werden sollen". Die Höhe der Sozialhilfe müsse auch in Zukunft existenzsichernd bleiben und die ausreichende Versorgung von Kindern und Jugendlichen absichern, "unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus", forderte die Caritas-Präsidentin. Die angekündigte Kindergrundsicherung gelte es daher, mit der Sozialhilfe-Reform gemeinsam zu denken und umzusetzen. Kritisch bewertete die Caritas Einzelmaßnahmen wie die geplante Vorziehung der Anrechnung der Familienbeihilfe, die de facto weniger Unterstützung für Kinder und Jugendliche bedeute.
Die von der Regierung geforderte "Integration ab Tag 1" begrüßte die Caritas zwar, warnte jedoch vor einer Kopplung an den Zugang zur Sozialhilfe, solange es nicht genügend Integrationsangebote gebe. "Wenn Integration verpflichtend wird, ist es auch die Pflicht des Staates, genügend Angebote zu schaffen - von Sprachkursen über Qualifizierung bis hin zu fairen Chancen am Arbeitsmarkt." Tödtling-Musenbichler wies zudem darauf hin, dass ein großer Teil der Sozialhilfebezieher gar nicht arbeitsfähig sei: 58 Prozent von ihnen seien Kinder, Menschen mit Behinderungen und gesundheitlichen Einschränkungen oder mit Betreuungsverpflichtungen, stammten somit aus Gruppen, die weiterhin sozial abgesichert bleiben müssten.
Auch vor einer "Aushöhlung der Grundpfeiler des Sozialstaats" warnte die Caritas-Präsidentin: Würde man die Schwächsten gegeneinander ausspielen, "riskieren wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt".
Die kirchliche Hilfsorganisation bekräftigte ihre Bereitschaft zur Mitwirkung am Reformprozess: "Wir stehen bereit, unsere langjährige Erfahrung aus der Arbeit mit armutsbetroffenen Familien, Alleinerziehenden, arbeitssuchenden Menschen und Geflüchteten in den Reformprozess einzubringen", so Tödtling-Musenbichler. Praxisnahes Wissen sei notwendig, "damit die Reform nicht nur am Papier überzeugt, sondern auch im Alltag funktioniert".
Tödtling-Musenbichler wies zudem die Darstellung zurück, wonach die Sozialhilfe einen erheblichen Belastungsfaktor im Staatshaushalt darstelle. "Die von Bundesministerin Plakolm mit der Sozialhilfe in Verbindung gebrachten 'Milliarden' bedeuten tatsächlich 1,1 Milliarden Euro - das sind nur 0,44 Prozent der gesamten Staatsausgaben. Keine Reform der Sozialhilfe wird den Staatshaushalt sanieren können." Auch das Bild eines starken Anstiegs des Sozialhilfebezugs stimme nicht mit der Realität überein. "Die Zahl der Sozialhilfebezieher ist in den letzten Jahren gesunken und steigt erst jetzt infolge aktueller Krisen wieder leicht an - und liegt dennoch deutlich unter dem Niveau von 2017."
Ukrainische Kriegsvertriebene als Prüfstein
Auch auf regionaler Ebene wird die Diskussion um soziale Sicherheit aufmerksam verfolgt. In Vorarlberg äußerte Michael Rünzler, Leiter der Flüchtlingshilfe der Caritas Vorarlberg, Besorgnis über die unklare Zukunft von Familienleistungen für ukrainische Kriegsvertriebene. "Es stellt sich die Frage, ob sich die Menschen weiterhin die Miete im privaten Bereich leisten können und nicht wieder um die Aufnahme in ein organisiertes Quartier angewiesen sind", so Rünzler gegenüber den Vorarlberger Nachrichten (Dienstag). Dies könne langfristig keine tragfähige Lösung darstellen.
Ende Oktober läuft für diese Personengruppe der Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld aus. Eine Nachfolgeregelung ist bislang nicht bekannt. Integrationsministerin Claudia Plakolm kündigte an, eine solche Regelung solle bald verhandelt werden. Der Zugang zu Leistungen soll dabei an Arbeitsbereitschaft geknüpft werden, wobei Betreuungspflichten berücksichtigt werden sollen.
Rünzler wies darauf hin, dass der Ausfall der Pflichtversicherung im Mai in der Praxis kaum Probleme verursacht habe. "Im organisierten Bereich ist es ziemlich reibungslos verlaufen." Es gebe alternative Absicherungen, etwa über die Mitversicherung oder im Rahmen der Grundversorgung. Laut ÖGK sind derzeit rund 2.300 ukrainische Vertriebene in Vorarlberg krankenversichert, davon 1.214 über Erwerbstätigkeit und 1.112 über die Grundversorgung.
Auch die Vorarlberger Caritas forderte eine tragfähige gesetzliche Lösung, die der realen Lebenssituation der Betroffenen gerecht wird. Viele der nicht oder nur eingeschränkt Erwerbstätigen hätten Betreuungspflichten, insbesondere für kleine Kinder, hieß es. Wie die kirchliche Hilfsorganisation betonte, könne Integration dieser Menschen nur dann gelingen, wenn soziale Sicherheit auch rechtlich abgesichert bleibe.