Zehntausende Pilger, 1.700 Priester, 30 Kardinäle, 270 Bischöfe, ein Papst und zwei Heilige"Internetpatron": Acutis und "Sozialapostel" Frassati heiliggesprochen - Hintergrundbericht von Kathpress-Korrespondentin Sabine Kleyboldt
Vatikanstadt, 07.09.2025 (KAP) Seit Tagen flattern ihre Bilder an der Fassade des Petersdoms: Pier Giorgio Frassati, dunkelhaariger junger Mann im 20er Jahre-Anzug, und Carlo Acutis, braungelockter Teenager im roten Polohemd. Im Großformat flankieren sie die Mittelloggia, auf der Leo XIV. vor fast genau vier Monaten als neuer Papst vor die Menge trat. Nun steht er auf den Stufen der Basilika, um die Menschen auf der vollen Piazza zu seiner ersten Heiligsprechungsfeier zu begrüßen.
"Das wird ein wunderschönes Fest für ganz Italien, die ganze Kirche und die ganze Welt", ruft er den fast 100.000 zu, die sich auf dem streng gesicherten Petersplatz drängen. Unter Beifall heißt Leo an diesem "Tag der Freude" die vielen jugendlichen Anhänger der zwei Norditaliener willkommen, die Bewunderer in zahlreichen Ländern haben. Die beiden hätten ihre Liebe zu Christus vor allem durch die Eucharistie, also die Kommunion, gelebt, aber auch durch ihre Sorge für die Ärmsten, bringt Leo "Sozialapostel" Frassati (1901-1925) und "Internetpatron" Acutis (1991-2006) problemlos unter einen Heiligenschein.
Dabei hat der aus Mailand stammende "Influencer Gottes" Acutis zuletzt für deutlich mehr Wirbel gesorgt; dass die katholische Kirche den ersten Millennial zur Ehre der Altäre erhebt, und das nicht mal 19 Jahre nach seinem frühen Tod an Leukämie, machte Schlagzeilen. Von einem künstlichen Hype zu Werbezwecken für die Kirche war die Rede, gar von Antisemitismus, weil der digital-geniale Acutis auf selbst programmierten religiösen Internetseiten - vielleicht aus Unkenntnis oder Naivität - Fälle von mittelalterlichem "Hostienfrevel" aufgeführt haben soll, die einst als Grund für die Judenverfolgung missbraucht wurden.
Nach seiner raschen Seligsprechung 2020 aufgrund eines auf seine Fürsprache erwirkten Wunders stellte sich kaum vier Jahre später ein zweites Wunder ein, so dass der Junge nun die höchste Ehrung erlangen konnte - in Rekordzeit. Einen schalen Beigeschmack erzeugt bei manchen, dass sich seine Mutter Antonia Salzano dabei zur höchst aktiven Fürsprecherin der Heiligkeit ihres Sohnes machte, angeblich unterstützt von hochrangigen Geistlichen.
All das stört an diesem Bilderbuch-Vormittag auf dem Petersplatz kaum jemanden. Als Acutis Mutter neben der Altarbühne zu sehen ist, brandet kurz Beifall auf. Auch Vater und Geschwister des neuen Heiligen sind da - eine Premiere in der Geschichte der Kirche. Viele Jugendliche bekennen sich mit Basecaps, Shirts oder selbst gebastelten Plakaten zu ihren jungen Idolen. Beide stammten aus wohlhabenden Familien, opferten Freizeit und Taschengeld für bedürftige Menschen, gingen täglich zur Messe, beteten und beichteten regelmäßig, führten aber ein ganz normales Leben, trieben Sport und pflegten Freundschaften; eben "zwei wie du und ich", so die Botschaft der Kirche. Auch Leo ruft die jungen Menschen in seiner Predigt dazu auf, ihr Leben nicht zu vergeuden, sondern Gott und aktive Nächstenliebe ins Zentrum zu stellen.
"Wir fühlen uns selbst ein bisschen mitgeehrt", sagt Studentin Mattilda (20) aus Rom, wie Maddalena (16) und Raquel (15) Mitglied der Laienbewegung "Azione Cattolica Italiana". Der Vereinigung gehörte auch der Turiner Ingenieursstudent und passionierte Bergsteiger Frassati angehörte.
Für Acutis und Frassati gab es ursprünglich eigene Heiligsprechungstermine, die durch den Tod von Papst Franziskus Makulatur wurden. Dass sie nun am selben Tag heilig werden, findet Maddalena in Ordnung: "Beide wollten ja eigentlich dasselbe." Aus Malaga angereist ist Àngel (22). Obwohl selbst angehender Ingenieur, fühlt er sich Acutis stärker verbunden, "weil er so nah an unserer Zeit ist". Tatsächlich könnte man sich Internet-Nerd Acutis bestens auf der Piazza vorstellen, vermutlich wie seine Fans mit dem Smartphone hantierend.
"Pier Giorgio ist total modern mit seiner Empathie für andere Menschen - auch über Grenzen hinweg!", sind sich Martina und Giulio aus der Nähe von Neapel einig. Frassati habe schmerzlich die Schrecken des Ersten Weltkriegs und seine Folgen erlebt. 1923 sprach er katholischen Studierenden in Bonn in einem Brief Mut zu, erzählt Martina voller Stolz. "Daran kann man sich doch gut orientieren."
Dass vor dem Altar in Gefäßen Reliquien der neuen Heiligen, also sterbliche Überreste, aufgestellt sind, gehöre nun mal dazu, meint die Studentin. "Uns jungen Leuten geht es vor allem darum, Orientierung für unser Leben zu haben, das doch immer schwieriger wird. Und solche Vorbilder haben wir jetzt in Carlo und Pier Giorgio."
Als der Papst mit einer lateinischen Formel Acutis und Frassati offiziell zu Heiligen der Kirche erklärt, jubelt der Platz. Nun können Gläubige auf der ganzen Welt die beiden "anrufen". Dabei fungieren sie aber weder als Handy-Kontakt noch als "Telefonseelsorger des Herrn". Vielmehr kann man sie um Fürsprache bei Gott bitten - bei vielerlei Anliegen.