Für die katholische Kirche ist die regelmäßige Proklamation neuer Glaubensvorbilder wichtig: Mit der Heiligsprechung von Pier Giorgio Frassati und Carlo Acutis wendet sie sich aktuell an eine jüngere Zielgruppe - Hintergrundbericht von Severina Bartonitschek
Rom, 06.09.2025 (KAP) Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wenigstens gilt das für die Heiligsprechung zweier junger Italiener, die eigentlich schon längst heilig sein sollten: der "Sozialapostel" Pier Giorgio Frassati und der "Internetpatron" Carlo Acutis. Doch durch den Tod von Papst Franziskus und die Wahl seines Nachfolgers Leo XIV. wurde ihre Freigabe zur weltweiten Verehrung zusammen- und auf kommenden Sonntag gelegt.
Zunächst ein Schock für viele Verehrer Frassatis, der 1925 mit 24 Jahren an Kinderlähmung starb. Aus aller Welt waren sie Ende Juli zum katholischen Weltjugendtreffen nach Rom gereist, um an seiner Heiligsprechung teilzunehmen. Kurzerhand entschied man sich für einen ungewöhnlichen Schritt und brachte den zu Lebzeiten als abenteuerlustig geltenden Italiener nach Rom.
In einem goldfarbenen Leichenwagen reiste der Sarg mit Frassatis sterblichen Überresten aus dem norditalienischen Turin an. In der Kirche Santa Maria sopra Minerva neben dem Pantheon ruhte er schließlich für elf Tage vor dem Schrein der italienischen Schutzpatronin Katharina von Siena, und Tausende junge Menschen besuchten ihn.
Im deutschsprachigen Raum zählt der "Patron der Weltjugendtage" heute zu den eher unbekannten Glaubensvorbildern - obwohl es einige Bezüge gibt. Der 1901 geborene Frassati stammt aus einer wohlhabenden Turiner Familie. Sein Vater war nicht nur Gründer und Direktor der italienischen Tageszeitung "La Stampa", sondern auch Diplomat und wirkte als solcher Anfang der 1920er Jahre als Italiens Botschafter in Berlin. Pier Giorgio lernte in dieser Zeit den späteren Jesuiten und katholischen Theologen Karl Rahner sowie den Priester und Sozialaktivisten Carl Sonnenschein kennen. Mit ihm soll Frassati die Armenviertel Berlins besucht haben.
Sozialapostel und Fürsprecher gegen Faschismus
Soziales Engagement machte einen Großteil Frassatis Lebens aus - auch und besonders in seiner Heimat Turin. Dort kümmerte er sich nach dem Ersten Weltkrieg als junger Student um die Menschen in den Elendsvierteln. Mutmaßlich bei dieser Arbeit steckte er sich mit der Kinderlähmung an, die innerhalb weniger Tage zu seinem frühen Tod führte.
Neben der konkreten Sozialarbeit engagierte sich Frassati in verschiedenen katholischen Verbänden politisch, gehörte Italiens katholischer Volkspartei an und trat gegen den wachsenden Faschismus im Land ein. Getragen wurde er dabei von seinem Glauben, den er in jungen Jahren zunächst durch den Salesianerorden und später durch die Jesuiten kennenlernte. Diesen lebte er und versuchte auch seine Freunde davon zu begeistern - etwa bei den vielen Bergwanderungen, die Frassati in seiner Freizeit unternahm.
Durch die Heiligsprechung dürfte Frassatis Popularität auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz rasant zunehmen. Das ist auch einer der Gründe, warum die katholische Kirche einen Menschen zum Vorbild für die Gläubigen und zum Fürsprecher bei Gott erklärt. Zwar kosten die meist vorausgehenden langjährigen Prozesse viel Geld und Arbeitszeit. Aber mit Geschick und etwas Glück können sie ideellen Zuspruch mobilisieren und manchmal auch materiell sichtbare Erfolge bewirken, wenn die Zahl der Verehrer steigt. Zudem können leuchtende Vorbilder das mitunter angeschlagene Image der Kirche verbessern, das - schaut man auf aktuelle Prozesse - wohl ein jugendlicheres werden soll.
Gottes Influencer
Das gilt erst recht für Carlo Acutis, mit dem am 7. September erstmals ein Millennial heiliggesprochen wird - nach einem für katholische Verhältnisse sehr kurzen Zeitraum der Prüfung. Acutis starb 2006 mit 15 Jahren plötzlich an Leukämie. Er führte ein sehr frommes Leben mit täglichen Messbesuchen, Rosenkranzgebeten und ehrenamtlichem Engagement für Arme und Obdachlose. Weltweite Bekanntheit erlangte er posthum als "Cyber-Apostel", "Internet-Patron" oder "Influencer Gottes", weil er sich neben der Schule an der Erstellung von Internetseiten beteiligte, etwa für seine katholische Heimatgemeinde in Mailand. Auch den "eucharistischen Wundern" - also unerklärlichen Vorkommnissen im Zusammenhang mit geweihten Hostien - galt sein Einsatz.
Acutis' sterbliche Überreste werden nach Angaben der Diözese Assisi nicht zur Heiligsprechung nach Rom gebracht. Der junge Italiener bleibt gekleidet in Sweatshirt, Jeans und Turnschuhen in seinem Glasschrein in Umbrien. Sein Herz wird aber währenddessen in einem besonderen Gefäß vor dem Petersdom stehen. Für den abenteuerlustigen Frassati war sein kürzlicher Rombesuch der vorerst letzte. Während der Großveranstaltung im Vatikan wird er in seinem Grab im Turiner Dom ruhen.
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