Linzer Bischof stand Eröffnungsgottesdienst der "Pro Scientia"-Sommerakademie
für Nachwuchswissenschaftler in Horn vor, die dem Thema "Brücken" gewidmet ist - Ohne Freiheit und Verantwortung, ohne Verpflichtung auf das Gemeinwohl wird Demokratie zu hohler Floskel
St. Pölten, 03.09.2025 (KAP) Noch bis 7. September findet in Horn die Sommerakademie der Studienstiftung "Pro Scientia" statt. Unter dem Leitthema "Brücken" haben sich mehr als 100 ausgewählte Studierende aus ganz Österreich zu einem intensiven wissenschaftlichen Austausch versammelt. Dem Eröffnungsgottesdienst stand der Linzer Bischof Manfred Scheuer vor, der in seiner Predigt die Frage nach dem Zusammenhalt in Kirche und Gesellschaft stellte. Das Gewissen bezeichnete der Bischof als "Brücke zu Gott".
Ohne lebendige Beziehungen der Wertschätzung, der Achtung und auch der Empathie und Solidarität würden sich universale Normen im luftleeren Raum verlieren, so Scheuer: "Ohne Anerkennung der anderen wird die Gleichheit zu einer Beschwörungsformel. Und ohne Freiheit und Verantwortung, ohne Verpflichtung auf das Gemeinwohl wird Demokratie zu einer hohlen Floskel."
Bei gegenwärtigen Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Pandemiebekämpfung, der Migration oder auch beim kirchlichen Synodalen Weg komme man ohne gemeinsame Anstrengung, ohne Suche nach einem Grundkonsens und ohne Kooperation nicht weiter.
Scheuer sprach vom "Gewissen als Brücke zu Gott" und illustrierte seine Gedanken mit dem seligen Franz Jägerstätter. Der äußere Verblendungszusammenhang in der Zeit des Nationalsozialismus habe bei ihm zu keiner Abstumpfung des Gewissens, die Nazi-Ideologie nicht zur Menschenverachtung und Gottlosigkeit und das Gehabe der Macht der Starken nicht zum Willen zur Macht geführt. Jägerstätter wie auch andere hätten ihr Gewissen und ihre Verantwortung "nicht infantil delegiert, nicht an die anderen, nicht an das Volk, nicht an den Führer".
Die Unterscheidung der Geister habe ihnen den Blick hinter die Masken der Propaganda und Rhetorik der Verführung ermöglicht. Die Unterscheidung der Geister sei so gesehen "ein Frühwarnsystem, eine Stärkung des Immunsystems gegenüber tödlichen Viren", so Scheuer und weiter wörtlich: "Das Gewissen so gelebt ist kein Handlanger der Eigeninteressen. Es gibt nicht die Erlaubnis für alles und jedes, es ist nicht die Instanz der Beliebigkeit oder der Auflösung der Normen. Das Gewissen ist der Ort der Erfahrung des Unbedingten, das uns in Anspruch nimmt. Es ist der Ort der Begegnung zwischen Gott und Mensch."
Der damalige Kontext seien Krieg und Frieden, Gerechtigkeit und Terror, Leben oder Tod gewesen. Heute seien die Kontexte vielleicht anders, "aber es geht auch um Fragen des Rechts auf Leben, um Menschenwürde und um Menschenrechte, um Demokratie bei Populismus und Rechtsextremismus, um Gerechtigkeit und Gemeinwohl bei Hunger, Flucht und Klimakrise".
Eine menschengerechte Demokratie brauche das Ringen um die Wahrheit, betonte der Bischof, "und wir suchen nach einer Seelenkraft, nach einem Rückgrat, nach Resilienz und nach der Kraft der Güte. In allem, trotz allem, geht es um die Gottesfrage."
Hochkarätige Tagung im Waldviertel
Zu den Vortragenden der "Pro Scientia"-Sommerakademie in Horn im Waldviertel gehören renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie die Wiener Physikerin Beatrix Hiesmayr, die in das Phänomen der Quantenverschränkung einführen wird, die Historikerin Elisabeth Gruber vom Institut für Realienkunde in Krems mit einem Beitrag zur Bedeutung von Donaubrücken im Mittelalter sowie der Neurobiologe Tim P. Vogels vom ISTA Klosterneuburg, der über synaptische Verbindungen im Gehirn spricht.
Ein inhaltlicher Höhepunkt ist die für Freitag, den 5. September, geplante Podiumsdiskussion zum Thema Integration: Die Filmemacherin Ruth Beckermann, die Ökonomin Almina Besi, der Soziologe Kenan Güngör und der Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal diskutieren ab 14.30 Uhr über gesellschaftliche Brücken zwischen unterschiedlichen Lebenswelten. Am selben Abend spricht um 19.30 Uhr der Diplomat Valentin Inzko, ehemaliger Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina, über die Rolle der Diplomatie beim Brückenbau zwischen Nationen.
Den Abschlussvortrag hält am Sonntag, 7. September, der Salzburger Kirchenhistoriker und Ostkirchenexperte, Prof. Dietmar Winkler. Er spricht zum Thema "Brückenbauer oder Brandstifter? Zur Rolle christlicher Konfessionen in Kriegen und Konflikten". Dem Abschlussgottesdienst am Sonntag, 7. September, steht der Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs, Markus Schlagnitweit, vor.
Die Sommerakademie gilt als jährlicher Höhepunkt des Förderprogramms von "Pro Scientia". Die Stiftung vergibt Stipendien an besonders engagierte Studierende und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aller Fachrichtungen sowie junge Kunstschaffende bis zum Alter von 30 Jahren. Ziel ist es, interdisziplinären Austausch zu fördern und gesellschaftliche Verantwortung in Forschung und Bildung zu stärken.