Präsidentin Welskop-Deffaa zu Debatte um soziale Sicherungssysteme: Grundgesetz verlangt Sozialstaat "Muss oberste Priorität sein" - Auch Bischof Kohlgraf gegen Sparpläne bei sozialer Hilfe
Bonn/Berlin, 03.09.2025 (KAP/KNA) Die deutsche Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa mahnt die Regierungsparteien Union und SPD dazu, die Sicherung des Sozialstaates als "oberste Priorität" zu behandeln. Welskop-Deffaa verwies am Mittwoch in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Stuttgart ausdrücklich auf den im Grundgesetz enthaltenen Auftrag, wonach die Bundesrepublik ein Sozialstaat sein müsse.
"Deutschland ist ein sozialer Rechtsstaat, und es gehört zu den verfassungsgemäßen Aufgaben der Bundesregierung, ihn auf die jeweiligen Aufgaben und Herausforderungen hin weiterzuentwickeln", sagte Welskop-Deffaa. "Politik wird diesem Auftrag aktuell nicht gerecht, wenn sie Ängste und Sozialneid schürt", betonte sie.
Vergleich mit Reformen der 1950er
Die Caritas-Präsidentin verglich die aktuellen reformerischen Herausforderungen in Deutschland mit jenen vor 70 Jahren. Wenn man "die großen Reformen der 1950er Jahre" zum Vergleich heranziehe, "dann war es auch damals schwer, eine gute Lösung zu finden", sagte sie. "Es musste eine Lösung gefunden werden, um den Alten am Wirtschaftswunder-Wohlstand der Jungen gerechten Anteil zu verschaffen", erläuterte Welskop-Deffaa und fügte hinzu: "Ohne die aktive Einmischung der katholischen Verbände wäre es nicht zur Einführung der 'dynamischen Rente' gekommen, gegen die der von 1949 bis 1963 amtierende Bundeskanzler Konrad Adenauer lange Vorbehalte hegte."
Heute sei man in einer ähnlichen Situation. "Wir müssen nun darauf achten, dass die junge aktive Generation durch Sozialversicherungs-Beitragslasten nicht überfordert wird". Der Sozialstaat brauche das Miteinander der Generationen.
"Demografische Kipp-Punkte"
Die Bereitschaft der Bürger, in die sozialen Sicherungssysteme einzuzahlen, setze voraus, "dass diese als insgesamt stabil und fair eingeschätzt werden". Das heiße: "Menschen müssen heute besonders darauf vertrauen können, dass Politik im Angesicht der demografischen Kipp-Punkte generationengerechte und sozial ausgewogenen Antworten gibt", sagte Welskop-Deffaa.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte mehrfach erklärt, der Sozialstaat in jetziger Form sei nicht mehr finanzierbar. Bundessozialministerin Bärbel Bas (SPD) sagte kürzlich: "Diese Debatte gerade, dass wir uns diese Sozialversicherungssysteme und diesen Sozialstaat finanziell nicht mehr leisten können, ist - und da entschuldige ich mich jetzt schon für den Ausdruck - Bullshit."
"Bullshit?" - "Sehr unausgegoren!"
Welskop-Deffaa kommentierte Bas' Äußerung mit den Worten: "Union und SPD sollten als Regierungsparteien gemeinsam ausstrahlen, dass die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Sozialstaates für sie oberste Priorität hat." Den Ausdruck "Bullshit" verwendete Welskop-Deffaa zwar nicht, sagte aber: "Mancher Vorschlag, der da gerade auf den Tisch gelegt wird, scheint auch mir sehr unausgegoren".
Auch Bischof gegen Sparpläne bei sozialer Hilfe
n der Debatte über die Finanzierung sozialer Leistungen in Deutschland kritisierte am Mittwoch auch der Bischof von Mainz eine mangelnde inhaltliche Auseinandersetzung. "Es fällt auf, dass für Waffen, Militär und Verteidigung viel Geld zur Verfügung steht, aber es bei den Sozialsystemen heißt, dass diese nicht mehr finanzierbar sind", sagte Bischof Peter Kohlgraf der KNA.
"Das war auch schon im Wahlkampf so, dass die Themen der Sozialpolitik praktisch keine Rolle spielten - im Gegensatz etwa zu Migration und Sicherheit." Zwar gelte es, den einzelnen Menschen nicht aus seiner Verantwortung für das eigene Leben zu entlassen. Dennoch mache es Deutschland gerade so wertvoll, dass die Gesellschaft geprägt sei von der gemeinsamen Wahrnehmung sozialer Aufgaben. "Wir leben in einem Sozialstaat mit entsprechenden Verpflichtungen", unterstrich Kohlgraf.
Die Diskussionen über das Ausgestalten eines sozialen Ausgleichs würden kaum noch an Sachfragen orientiert geführt. Die Sozialpolitik müsse insgesamt wieder eine stärkere Rolle spielen, so der Bischof.