Caritas-Projektpartner im Gazastreifen fordern ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe: "Es gibt keine Entschuldigung dafür, dies nicht zu tun" - Derzeit erhebliche Schikanen für die Hilfe an die Not leidende Bevölkerung vor Ort
Wien, 02.09.2025 (KAP) Von einer weiter extrem angespannten humanitären Lage im Gazastreifen berichten Projektpartner der Caritas Österreich. Die andauernde Bodenoffensive Israels zerstöre nicht nur die Infrastruktur, sondern mache auch die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, sauberem Wasser und medizinischer Hilfe zu einer extrem schwierigen Herausforderung, sagte eine vor Ort tätige Mitarbeiterin eines Partner-Hilfswerks der Caritas, die aus Sicherheitsgründen anonym bleibt, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress und anderen Medien am Dienstag in Wien. Dringend erforderlich sei angesichts der Hungersnot eine rasche Grenzöffnung für humanitäre Hilfslieferungen.
Erst am Dienstag war das Aussetzen der Luftbrücke in den Gazastreifen bekannt geworden. Den vor anderthalb Monaten begonnenen Abwurf von Hilfsgütern, an der sich unter der Leitung Jordaniens auch europäische Länder beteiligt hatte, bezeichnete die Expertin als ohnehin "nicht die beste Lösung" und nur "Tropfen auf den heißen Stein", der kaum zur Besserung der Versorgungssituation beitragen könne und ungewiss lasse, wer die Empfänger sind. "Viel billiger und besser wäre es, ungehinderte humanitäre wie auch kommerzielle LKW-Transporte über die Grenzen zu ermöglichen und alle Zugangswege zu nutzen. Es gibt keine Entschuldigung dafür, dies nicht zu tun."
Hürden bei der Einfuhr
Derzeit bemühten sich die meisten Hilfswerke vor Ort um die Einfuhr von Lebensmitteln aus Ägypten oder Jordanien über die drei Grenzübergänge in den Gaza-Streifen. Israel erteile dafür vorläufige Genehmigungen in streng limitierter Zahl, jedoch gebe es selbst mit vorhandenen Dokumenten noch weitere Hürden zu überwinden wie etwa die Zollabwicklung, so die Helferin. "Die Bestimmungen an jedem Grenzübergang sind anders und verändern sich ständig." Auch diese Verfahren müssten vereinfacht und transparenter werden, damit in Gaza dringend benötigte Hilfsgüter wie Nahrung, Wasser, Hygieneartikel oder Medikamente nicht wochenlang in Ägypten oder Jordanien lagern müssten.
Derzeit sei Nahrungsmittelhilfe vor allem im Norden und in der Mitte des Gazastreifens möglich, während der Süden für viele Hilfsorganisationen seit dem militärischen Vorstoß Israels auf Rafah im Vorjahr nicht mehr zugänglich ist. Die Bedingungen sind jedoch auch im Norden komplex, rund 80 Prozent gelten dort als Evakuierungszonen, darunter auch das Gebiet, in dem sich die katholische Pfarre von Gaza-Stadt befindet, in der weiterhin rund 400 Menschen Zuflucht suchen.
Helfer brauchen selbst Hilfe
Auch alle Mitarbeitenden des Caritas-Partner-Hilfswerks - es hat mehrere Hundert Beschäftigte - sind von der Notsituation betroffen, so die Informantin. "Obwohl sie einen Gehalt bekommen und dadurch bessergestellt sind als andere, haben auch sie zu wenig Nahrung und haben seit Kriegsbeginn Körpergewicht verloren, oft 20 oder 30 Kilogramm. Alle sparen an ihrer Mahlzeit, um das Überleben der eigenen Kinder zu sichern." Somit seien die Helfer auch selbst Empfänger der Hilfe, "denn jeder in Gaza zählt zur vulnerablen Gruppe".
Normal sei es im Gazastreifen auch, ständig den Wohnsitz wechseln zu müssen. "Etliche aus unserer Belegschaft wurden mit ihrer Familie schon zehnmal und öfter vertrieben, eine Mitarbeiterin sogar 16 Mal. Sie wohnen wie die meisten Menschen nicht in Häusern, sondern in Zelten oder sonstigen vorübergehenden Unterkünften." Grund sei der Kriegsverlauf mit den Zerstörungen und mit nur wenigen Stunden Vorlaufzeit von der israelischen Armee angeordneten Evakuierungen. Als Folge müssen auch Hilfszentren regelmäßig verlegt werden.
Gefährliches Hilfesuchen
Sicher sei derzeit niemand in Gaza, so die Caritas-Projektpartnerin. Die größte Gefahr aus Sicht der Bevölkerung sei derzeit, in den Süden des umkämpften Gebietes vertrieben zu werden, "denn dort gibt es keinerlei Infrastruktur". Gefährlich sei es jedoch auch, in der Kriegsumgebung weite Strecken gehen zu müssen, wenngleich der Gazastreifen nicht groß sei. "Wichtig ist es, den Leuten dort Unterstützung zu bieten, wo sie sich gerade aufhalten", unterstrich die Expertin.
Dramatisch ist außer der Ernährungslage auch die Versorgung im Gesundheitsbereich. Kinder leiden unter Mangelernährung, Durchfallerkrankungen und Hautinfektionen, die von vielen benötigte therapeutische Spezialnahrung ist kaum noch vorhanden. Auch sauberes Wasser ist extrem knapp. Seitens der Caritas-Partner wird versucht, mit mobilen Toiletten, Wassertrucks und Entsalzungsanlagen gegenzusteuern, doch der Treibstoffmangel schränkt die Funktionstüchtigkeit dieser Systeme erheblich ein. "Ohne verlässlichen Zugang zu Wasser, Strom und medizinischer Versorgung droht sich die gesundheitliche Katastrophe weiter zu verschärfen. Die am meisten Leidtragenden sind Kinder, alte Menschen und Menschen mit Behinderungen", so die Expertin.