Bischof in Eröffnungswort zu "Innsbrucker Theologischen Sommertagen": Kirchenversammlung in Nizäa vor 1.700 Jahren beispielgebend für Zusammenspiel von Hierarchie und Synodalität
Innsbruck, 02.09.2025 (KAP) Auf die anhaltende Brisanz des Konzils von Nizäa (Nicäa) für das westliche Christentum von heute hat Bischof Hermann Glettler beim Festakt der diesjährigen "Innsbrucker Theologischen Sommertage 2025" hingewiesen. Das aktuelle 1.700-Jahr-Jubiläum der Kirchenversammlung biete die Chance zu einem "Frische-Update angesichts einer spirituellen Ermüdung" und könne auch für die Debatte um Freiheit und humanistische Werte eine "kulturelle Ressource" darstellen, sagte Glettler in einem Grußwort an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck am Montagabend. Für kirchliche Kunst, Baugeschichte und Liturgie, jedoch auch für das Denken und Sprechen über Gott sei Nicäa ein "markanter Wendepunkt" gewesen.
Wichtig sei Nizäa nicht nur wegen der dortigen Findung jener "sensationellen" Glaubensformel, derzufolge Jesus Christus "100 Prozent Gott und 100 Prozent Mensch" sei, sondern auch wegen des Kontextes, in dem das Konzil des Jahres 325 stattfand. Die enge Verflechtung von Kirche und römischer Staatsmacht habe zwar die dogmatische Einheit gestärkt, aber auch problematische Machtverhältnisse bewirkt. Daraus ergebe sich bis heute die kritische Frage, wie die Kirche ihren prophetisch-machtkritischen Auftrag bewahren und für Stimmlose eintreten könne, wenn sie institutionell mit dem Staat verschränkt sei, so der Innsbrucker Bischof.
Eine gute Inspiration für heutige Kirchendiskussionen liefere jedoch auch, dass das Bekenntnis zum Selbstverständnis einer "göttlichen Herkunft und Unverfügbarkeit des christlichen Glaubens" damals auf synodale Weise neu formuliert worden sei - als "kulturelle Auseinandersetzung inmitten einer säkularen Gesellschaft", wie Glettler hervorhob. Beide Dimensionen, die hierarchische und die synodale, würden aufeinander verweisen und müssten "im Lebensvollzug von Kirche in ihrer Komplementarität erfahrbar und sichtbar sein, um das Zeugnis des christlichen Glaubens auch in unseren Tagen fruchtbar zu machen".
Bei den Sommertagen reflektierten Theologinnen und Theologen der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Innsbruck am Montag und Dienstag das Glaubensbekenntnis von Nizäa. Den Auftakt der Fachveranstaltung unter dem Titel "Gott von Gott, Licht von Licht - Lehren und Irrlehren im Christentum" machte ein Vortrag von Johannes Hoff zum Thema "Vom Christusbekenntnis zum dreifaltigen Gott: Nizäa als Schlüssel zur Offenbarungsgeschichte". Im Anschluss sprach Enrico Grube unter dem Titel "Ich bin Drei" über die theologische Anthropologie nach Nizäa.
Willibald Sandler thematisierte in seinem Beitrag eine christlich motivierte Ökospiritualität. Ausgehend vom Heilsgeschehen in Jesus Christus stellte er dar, wie durch Kreuz, Auferstehung und Menschwerdung eine tiefe Verbindung zwischen Christus und der gesamten Schöpfung besteht. Nikolaus Wandinger widmete sich im Abendvortrag am Montag der Frage nach dem "wahren Menschsein" Jesu und zeigte anhand zweier Folgekonzilien von Nizäa auf, welche Konsequenzen die dort formulierten Lehren für das Verständnis menschlicher Identität und christlicher Spiritualität haben.
Am Dienstag analysierten Martin Hasitschka SJ und Mira Stare neutestamentliche Christusbekenntnisse anhand der Hymnen im Philipper- und Kolosserbrief. Diese frühen Texte aus verschiedenen Regionen des Mittelmeerraums bezeugen eine bereits entwickelte Christologie, die später im Konzil von Nicäa weiter entfaltet wurde. Michael Dormandy beleuchtete anschließend die Entstehung des Nizäischen Glaubensbekenntnisses und betonte, dass es sich dabei um eine theologische Formulierung auf Basis biblischer Offenbarung und frühchristlicher Tradition handle.
Auf dem Programm stand auch ein Vortrag von Johannes Härting über die Erzählung vom Hostienwunder in Seefeld des Jahres 1384 vorgesehen, mit einer Analyse der jahrhundertelangen Rezeptionsgeschichte als Beispiel mittelalterlicher Frömmigkeit. Liborius Lumma erläuterte, wie einzelne Regelungen des Konzils - etwa zum Osterdatum oder zur Gebetshaltung - auch in der heutigen ökumenischen und liturgischen Diskussion von Bedeutung sind. Josef Quitterer sprach zur Frage, wie die Zwei-Naturen-Lehre Jesu mit der Einheit seiner Person vereinbar ist, ausgehend von aktuellen philosophischen Ansätzen und der thomistischen Anthropologie.
Als Begleitung der Theologischen Sommertage macht eine Publikation in der Reihe "theologische trends" die Vorträge in überarbeiteter Form zugänglich. Auch in der Hörfunkreihe "Sonntagsakademie" auf Radio Grüne Welle werden die Referate im September und Oktober gesendet. Ein breites Publikum soll dadurch die Möglichkeit erhalten, die Inhalte auch über den Tagungsrahmen hinaus nachzuvollziehen. (Infos:www.uibk.ac.at/de/theol/intheso/tagungsarchiv/intheso-2025)
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