Theologe: Vom Vatikan veröffentlichtes neues Messformular ändert Perspektive auf Schöpfung in der Liturgie - Rosenberger: Noch "Luft nach oben" für Bischöfe und Pfarren bei Aktionen während der kirchlichen Schöpfungszeit
Wien, 24.08.2025 (KAP) Ein neues Messformular, mit dem Katholiken weltweit künftig eine Messe mit Schwerpunkt auf dem Schutz der Umwelt feiern können, hat der Vatikan im Auftrag von Papst Leo XIV. vor wenigen Wochen veröffentlicht. Das neue Kirchenoberhaupt, das sich in der ökologischen Frage ganz in den Fußstapfen von Vorgänger Franziskus bewege, habe damit einen weit in die Zukunft wirkenden Schritt gesetzt, hebt der Linzer Umweltethiker Michael Rosenberger im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress (Sonntag) hervor. Das neue Messformular "Für die Bewahrung der Schöpfung" wechsle die Perspektive, mit der auf die Schöpfung geschaut wird. "Aus einer Ressource, die wir nutzen und genießen können, wird ein zerbrechliches, gefährdetes Lebenshaus."
Schon bisher nämlich sei die Schöpfung in der Liturgie in den Gottesdiensten in den Blick gekommen. "Allerdings nirgends mit einer ausdrücklichen Erwähnung ihrer Gefährdung durch den Menschen oder der Bitte, sie zu bewahren", erklärt Rosenberger. Wesentlich sei das neue Messformular auch wegen der zentralen Bedeutung der Liturgie für die Kirche. "Das gesamte kirchliche Leben erhält seine Kraft und seine Richtung aus der Liturgie - und alles, was wir als Kirche gemeinsam tun, strebt darauf hin, in einer liturgischen Feier vor Gott gebracht zu werden. Sobald also ein Thema in der Liturgie angekommen ist, wird es Auswirkungen auf das kirchliche Leben haben", so der Theologe.
Das Messformular, herausgegeben vom vatikanischen Dikasterium für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, trägt den lateinischen Titel "pro custodia creationis". Es enthält biblische Lesungen und Gebete, die die Verantwortung des Menschen für den Erhalt des Planeten betonen. Eine deutsche Übersetzung ist auf der Website des Österreichischen Liturgischen Instituts (www. liturgie.at) verfügbar.
Pfarrgemeinden und kirchliche Organisationen können die neue Umweltschutz-Messe etwa zum Welttag der Schöpfung am 1. September feiern oder während der kirchlichen Schöpfungszeit (1. September bis 4. Oktober). Michael Rosenberger sieht das Messformular aber vor allem auch als passend für Gottesdienste zu "säkularen Terminen" im Zusammenhang mit Umweltschutz und Klimakrise, wie etwa zu Beginn oder während globaler Klima- und Biodiversitätskonferenzen, am Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day) oder nach klimabedingten Katastrophen wie Überschwemmungen, Stürmen oder einer langen Dürreperiode. Es gebe viele Gelegenheiten, so der Ethiker. "Wir müssen nur die Augen öffnen für die 'Zeichen der Zeit'."
"Luft nach oben" für Bischöfe und Pfarren bei Schöpfungszeit
"Noch viel Luft nach oben" sieht Rosenberger auch bei konkreten Aktionen in Österreich während der erneut bevorstehenden Schöpfungszeit, wie der Ethiker auf Kathpress-Nachfrage verdeutlichte. Er wünsche sich zum einen, dass jeder österreichische Bischof in der Schöpfungszeit eine symbolträchtige Aktion setzt - "also zum Beispiel den Besuch eines ökologisch besonders wertvollen oder verletzlichen Ortes in seiner Diözese und womöglich auch einen Gottesdienst an diesem Ort". Zweiter Punkt für Rosenberger: "dass mindestens die Hälfte - und nicht nur wie aktuell etwa 10 Prozent - aller Pfarren etwas Vergleichbares tut". Materialien und Anregungen dazu seien in Hülle und Fülle vorhanden und müssten nur genutzt werden.
Der Theologe und Umweltethiker hofft zudem, dass die Schöpfungszeit künftig nicht nur ökumenisch mit den anderen Kirchen, sondern auch gemeinsam mit der Umweltbewegung gestaltet wird. "Papst Franziskus lobt die globale Umweltbewegung in der Enzyklika Laudato si' über den grünen Klee und traut ihr mitunter mehr zu als der Kirche selbst. Und er ermutigt, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Und doch kennen die meisten Seelsorgenden einschließlich der Bischöfe nicht einmal die Führungspersonen der Umweltorganisationen in ihrem Bereich", übt Rosenberger Kritik. Zehn Jahre nach Veröffentlichung von Laudato si' sei dies ein schwerwiegendes Versäumnis, das dringend behoben werden müsse.
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