Zweite Auflage des neuen Dialog-Formats der Katholischen Aktion Österreich widmet sich der unverzichtbaren "vierten Gewalt" im Staat - "Standard"-Kolumnist Rauscher: "Soziale Medien sind größte Gefahr für die Demokratie"- Medienethikerin Kreuzer für Medienerziehung vom Kindergarten bis zur Seniorengruppe - KAÖ-Präsident Kaineder: Politik muss Qualitätsjournalismus fördern
Wien, 16.07.2025 (KAP) Eine liberale Demokratie braucht, um funktionstüchtig zu bleiben, unabhängige und kritische Qualitätsmedien als Macht kontrollierende "vierte Gewalt" im Staat. Allerdings gibt es diesbezüglich weltweit und auch in Österreich einige "Baustellen", so der Tenor bei der zweiten Ausgabe des neuen Dialog-Formats "KA-Salon" der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) am Dienstagabend in der Wiener Spiegelgasse 3. "Die sozialen Medien sind die größte Gefahr für die Demokratie", befand "Standard"-Kolumnist Hans Rauscher. Die an der Uni Wien lehrende Theologin und Medienethikerin Linda Kreuzer verwies als zweiter Gast auf "langweilig" gewordene Komplexität in einer Zeit, da reißerische Titel und Berichte mehr Profit verheißen.
Die KAÖ - am Podium vertreten durch Vizepräsidentin Katharina Renner als Moderatorin - hatte den Medien bereits in der Einladung eine besondere Rolle in einer liberalen Demokratie zugewiesen. Denn die Basis für jede Form politischer Beteiligung sei eine fundierte Informationsgrundlage und Medien, die die Staatsmacht kritisch kommentieren.
Immer mehr online statt Print
Hans Rauscher (80), nach Stationen u.a. bei "Trend", "Kurier", "Wirtschaftswoche" und "profil" seit 2010 im neuen Presserat vertreten und nunmehr Seite-1-Kolumnist beim "Standard", veranschaulichte eingangs die in Österreich enge Verflechtung von Politik und Medien: Jährlich fließen Millionen Euro an Presseförderung in die Redaktionen, noch weit höhere Beträge für Inserate. Die Qualität der Berichterstattung spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Ohne diese Zuwendungen der öffentlichen Hand hätten die Medien, so Rauscher, ernste Probleme, zumal immer mehr Werbegelder an die sozialen Medien bzw. die amerikanischen "Big Tech" -Konzerne abfließen.
Rauscher machte auch auf den gewandelten Medienkonsum aufmerksam: Print werde zum Minderheitenprogramm einer treuen Leserschaft, die Jüngeren informierten und unterhielten sich vorrangig online. Medien ganz ohne oder mit mangelhafter Internet-Präsenz würden somit in wenigen Jahren vom Markt verschwinden. Seine eigene Zeitung, den seit 30 Jahren auch online verfügbaren "Standard", nannte Rauscher als Beispiel dafür, dass man auch mit einem auf ein intellektuelles Publikum ausgerichtetem "Nischenblatt" durch Augenmerk auf Internet-User reüssieren kann. Gemessen an der Crossmedia-Präsenz - also der Verbreitung auf verschiedenen Kanälen - sei "Der Standard" in Österreich ganz vorne dabei. Und die viel gelesene "New York Times" habe zwar bei der Printauflage im Laufe der Jahre Einbußen erlitten, ihre nach der ersten Wahl Donald Trumps auf bis zu zehn Millionen Abos gestiegene Online-Ausgabe belegt nach den Worten Rauschers die Einschätzung: "Manche können es sich leisten, 'anständig' zu sein."
Einen Einschnitt in der Mediennutzung brachte laut dem Journalisten die Covid-Pandemie: Es hätten sich Filterblasen im Internet gebildet, in denen "unfassbarer Blödsinn" und Verschwörungstheorien algorithmisch verstärkt würden, gleichzeitig werde den "Systemmedien" nicht mehr geglaubt. Diese Spaltung in der Gesellschaft sei demokratiepolitisch bedenklich, warnte Rauscher. "Die sozialen Medien sind die größte Gefahr für die Demokratie."
Rechte manipulieren gekonnter
Linda Kreuzer vom Institut für Systematische Theologie und Ethik an der Uni Wien warf hier ein, die deutsche AfD bezahle Hunderte Personen, um online Themen zu setzen. Rechtspopulisten und -extreme hätten es schon immer verstanden, Medien realitätsverzerrend und manipulativ einzusetzen. Und auch schon im 19. Jahrhundert habe es politische Beeinflussung durch Flugblätter gegeben. Über derlei zu jammern helfe nicht, sagte Kreuzer, es gehe ums Tun: Eine kritische Gegenöffentlichkeit müsse kontinuierlich gepflegt werden.
Die Politik reagiere oft zu langsam auf Medienmissbrauch, die EU versuche mit ihrem "Digital Services Act" gerade ein Regulativ für digitale Plattformen, Dienste und Produkte zu etablieren - in einem Bereich, wo laut Kreuzer "bereits viel Schaden angerichtet wurde". Aber auch nach der Erfindung des Buchdrucks als Vorgängerrevolution im Medienbereich zu Beginn der Neuzeit habe es lange gedauert, bis die Gesellschaft mit der neuen Errungenschaft umgehen konnte.
Die Medienethikerin plädierte für verstärkte Bemühungen im Bereich Medienerziehung. Diese müsse vom Kindergarten bis zur Seniorenrunde in der Pfarre reichen, denn kritische Mediennutzung sei eine Säule der Demokratie. Gegenüber autoritären Eingriffen wie einer Altersbeschränkung für Internetplattformen oder dem gezielten Sperren bestimmter Anbieter äußerte sich Kreuzer skeptisch, eingeschränkte Handynutzung im Schulunterricht befürwortete sie dagegen.
KAÖ-Präsident Kaineder machte bei der Diskussion auf die beobachtbare gezielte Zerstörung des öffentlichen Diskusraums durch Manipulation und Hasspostings aufmerksam und zeigte sich offen für staatliche Regulative. Im Gespräch mit Kathpress verwies er auf die jüngste Positionierung der Katholischen Aktion pro Qualitätsjournalismus: Diesen zu fördern, sei eine genuine Aufgabe der Politik auf allen Ebenen. In einem "Klima von Gereiztheit und Empörung" sei es umso wichtiger, Fake News von wirklichkeitstreuen Fakten zu unterscheiden.
Gesellschaftspolitisch relevante Themen
Die KAÖ startete im Mai mit dem "KA-Salon" ein neues Dialog-Format. Dabei werden jeweils Fachleute zu Themenbereiche eingeladen, in denen sich die Katholische Aktion gesellschaftspolitisch einbringen will. Der erste KA-Salon unter dem Titel "Brot, Wein und Demokratie" am 12. Mai widmete sich der Frage, welche Verantwortung Christinnen und Christen für das Wohl der Demokratie haben. Gäste waren Doris Helmberger, Chefredakteurin der Wochenzeitung "Die Furche", und der Politikwissenschaftler Johannes Webhofer. KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder stellte an diesem Abend auch das neue KA-Dossier "Demokratie leben und gestalten" vor.
Beim nächsten KA-Salon am 22. September zum Thema Reformen im Bildungssystem wird der zuständige Minister Christoph Wiederkehr erwartet, bevor die Gesprächsabende dann in Landeshauptstädten fortgesetzt werden - zu den Themen "Bibel" (November, St. Pölten), "Arbeitswelt" (Linz) und "Kunst" (Steiermark). Alle Veranstaltungen sind öffentlich zugänglich. (Info: www.kaoe.at)