Wiener Apostolischer Administrator Grünwidl im NÖN-Interview über seine Rolle als Administrator, anstehende Reformaufgaben in der Kirche und warum er nicht Erzbischof von Wien werden möchte
St.Pölten/Wien, 09.07.2025 (KAP) Der Wiener Apostolische Administrator Josef Grünwidl hat im Interview mit den "Niederösterreichischen Nachrichten" (NÖN) einmal mehr bekräftigt, dass er nicht Erzbischof von Wien werden will. Er sehe sich nicht in der Rolle des Erzbischofs, so Grünwidl. Er "hoffe und bete, dass bald ein guter Kandidat für diese Funktion gefunden wird". Gegen Weihnachten werde es jedenfalls Zeit, "sonst würde meine Zeit als Administrator über ein Jahr dauern und das war bisher fast nie der Fall". Das würde auch bedeuten, dass die Befugnisse des Administrators ausgeweitet werden. Er könnte sich gut vorstellen, so Grünwidl, "dass es im Advent einen neuen Erzbischof von Wien gibt. Und ich wünsche mir das auch."
Ein Administrator müsse in erster Linie dafür sorgen, "dass das Leben in der Diözese gut weitergeht. In den Pfarren wird getauft, die Erstkommunion gefeiert, das pfarrliche Leben pulsiert jeden Tag." Seine Aufgabe sei es, das zu unterstützen, sowie wirtschaftliche oder personelle Entscheidungen zu treffen.
"Es ist also nicht nur Verwaltung, sondern auch Gestaltung, aber in einem gewissen Rahmen." Er dürfe zum Beispiel keine Pfarren zusammenlegen oder aufheben. Alle Projekte, die schon in der Zeit von Kardinal Schönborn beschlossen wurden, führe er weiter. Er berate sich auch regelmäßig mit Kardinal Schönborn.
Sein Alltag beginne in der Früh mit einer Heiligen Messe mit einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, es folgten - meistens im Büro - viele Gespräche. "Da kommen Amtsleiter von der Diözese, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und es gibt auch Sprechtage für Priester." Zum administrativen Teil gehörten Sitzungen und Besprechungen. Pastorale Besuche in den Pfarren seien ihm zudem sehr wichtig und er war heuer auch wieder als Firmspender unterwegs.
Auf Dauer sei es aber nicht möglich, die beiden Ämter des Administrators und des Bischofsvikars parallel gut auszuüben. "Ich kann derzeit als Bischofsvikar in meinem Vikariat, im Industrieviertel, nicht so präsent sein wie bisher", so Grünwidl.
Frauenfrage nicht mehr aufschieben
Auf die Reformdebatten rund um die Rolle der Frauen in der Kirche angesprochen, sagte Grünwidl: "Wenn man sich das Leben in den Pfarren ansieht, merkt man, dass es ohne Frauen nicht gehen würde. Ich meine, dass es an der Zeit ist, Frauen stärker in Entscheidungsgremien einzubinden." Für ihn sei nicht die entscheidende Frage, wann Frauen auch zu Priesterinnen geweiht werden können, sondern es gehe zuerst um die Frage der Gemeinschaft. "Wie gehen wir miteinander um? Wie ernst nehmen wir, dass alle Getauften gleich sind an Würde?" Ein erster Schritt sollte sein, "dass Frauen mehr gehört und stärker als bisher in Entscheidungsprozesse eingebunden werden". Darum habe er kürzlich in das Diözesanleitungsteam drei Frauen nominiert.
Ob das Weiheamt zeitnah für Frauen geöffnet wird, wisse er nicht. "Es ist jedenfalls ein aktuelles Thema. Und ich merke auch im Gespräch, vor allem mit jungen Menschen, dass das Verständnis fehlt, warum Frauen aufgrund ihres Geschlechts von vorne herein vom Priesteramt ausgeschlossen sind", so Grünwidl: "Ich glaube, dass das eine wichtige Frage ist, die die Kirche auch nicht mehr allzu lange aufschieben darf." Es brauche eine gründliche, theologische Auseinandersetzung zu dieser Frage. Entscheiden müsse es dann ein Konzil.
"Kirche ist besser als ihr Ruf"
An der Kirche gibt es viel zu kritisieren, "aber die Kirche ist besser als ihr Ruf", betonte der Administrator: "Die Kirche bietet eine spirituelle Grundversorgung in den Dörfern und Städten - sie bietet die Möglichkeit, dass Menschen Gemeinschaft erleben." Die Kirche könne auch eine Basis schaffen für ein Miteinander in der Gesellschaft, über alle politischen Ansichten und Gräben hinweg; "dass man lernt, einander zu respektieren, das Gespräch nicht abreißen zu lassen, sich zu versöhnen und gemeinsam einen Weg zu gehen". Das sei ein Grundauftrag der Kirche.
Grünwidl räumte aber ein, dass es der Kirche immer weniger gelinge, mit ihrer Grundbotschaft durchzudringen, "also mit der Botschaft, dass es einen Gott der Liebe gibt, dass Jesus Christus der Mensch gewordene Gottessohn ist". Noch immer bezeichneten sich viele Menschen als religiös und spirituell, aber der christliche Gottesbegriff fehle oft. Grünwidl: "Es wird nötig sein, nach neuen Formen der Verkündigung zu suchen. Im Herbst starten wir in der Erzdiözese Wien ein Projekt, mit dem wir auch verstärkt in den digitalen Raum gehen werden, um vor allem Jüngere zu erreichen. Es gibt auch den Versuch, Kirche an neuen Orten zu etablieren."
Zu zwei anstehenden Pfarrzusammenlegungen sagte Grünwidl, dass dies nicht nur mit einem Priestermangel, sondern auch mit einem Gläubigenmangel zu tun habe. Das habe auch demografische Gründe. "Es gibt weniger Kinder, davon werden auch nicht mehr alle getauft, so wie das früher selbstverständlich war. Dazu kommen hohe Austrittszahlen. Und das führt dazu, dass es weniger Einnahmen gibt und dass wir Gebäude haben, die viel zu groß sind und die wir oft nicht mehr erhalten können." Es gelte daher, zu priorisieren: "Wie viele Pfarrhöfe und -säle, wie viele Räume brauchen wir? Wo können wir Synergien bilden, zusammenarbeiten und damit auch die Gebäudelast verringern?" Ein pastorales Gebäudekonzept werde künftig sicherlich ein großes Thema sein.
Visitation von Stift Heiligenkreuz
Auf die Apostolische Visitation des Stiftes Heiligenkreuz angesprochen, meinte der Administrator, dass die Klöster nicht dem Erzbischof und damit auch nicht dem Administrator unterstehen. Die Visitation habe zwei Schwerpunkte - das monastische Leben im Kloster und die Leitung des Abtes. "Und das sind Dinge, die das Stift intern betreffen." Tatsächlichen Bezug zur Erzdiözese gebe es aufgrund der ungefähr 20 Mönche in Heiligenkreuz, die in der Erzdiözese in der Pfarrseelsorge eingesetzt sind. "Hier gibt es eine gute Zusammenarbeit von Stift und Erzdiözese", so Grünwidl.
Dank an Franziskus, Hoffnung auf Leo
Zu Papst Leo XIV. sagte Grünwidl, dass dieser schon mit der Wahl seines Namens wichtige Akzente gesetzt habe: "Sein Vorgänger mit diesem Namen, Leo XIII., war ja ein Papst, der zum ersten Mal intensiv die soziale Frage thematisiert und in der Zeit der rasant voranschreitenden Industrialisierung auf gerechte Löhne und gerechte Arbeitsverträge hingewiesen hat." Papst Leo XIV. werde den Kurs von Papst Franziskus insofern weiterführen, "dass die Kirche immer an der Seite der Armen und Schwachen stehen muss". Der Papst wolle auch den synodalen Weg weitergehen. Für eine letztliche Einordnung sei es aber zu früh.
Vom Pontifikat von Papst Franziskus werde sehr viel bleiben, zeigte sich der Administrator überzeugt: "Für mich war Franziskus ein großer Reformpapst - er hat vieles angestoßen. Ich habe bei ihm immer gemerkt und gespürt, dass er Dinge voranbringen und verändern will, wenngleich er auch nicht alles umsetzen oder vollenden hat können."
Was jedenfalls von ihm bleibe, sei das Engagement für die Armen und jenes für die Bewahrung der Schöpfung. Im Vatikan habe er versucht, aus einer europazentrierten Kirche eine Weltkirche zu machen, auch mit seinen Kardinalsernennungen. Die Weltsynode habe einen kirchlichen Kurswechsel gebracht: "Diese neue Kommunikationsform, dieses miteinander im Gespräch und gemeinsam auf dem Weg sein ist eine Weiterführung dessen, was das Zweite Vatikanische Konzil einst wollte. Synodalität ist das Werkzeug, das uns hilft, Gemeinschaft 'communio' zu leben."