Wiener Theologe in Gastkommentar in den "Salzburger Nachrichten": Friedenspolitik, Klimanotstand, Migration und künstliche Intelligenz auf der Agenda des Pontifex - Erste Sozialenzyklika zur künstlichen Intelligenz von Papst Leo XIV. wäre "keine Überraschung"
Salzburg, 04.07.2025 (KAP) Die Positionierung von Papst Leo XIV. in der Welt von heute erscheine "klar und kantig": Er werde ein politischer Friedenspapst sein, auf dessen Agenda Klimanotstand, Migration und nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz stehen. So prognostiziert der Wiener Theologe Paul Zulehner die Amtszeit des Kirchenoberhaupts in einem Gastkommentar in den "Salzburger Nachrichten" (4.Juli). Wie Papst Franziskus habe er sich als "Radikaler" vorgestellt. Die von seinem Vorgänger eingeschlagene Spur der Synodalisierung der Kirche werde er weitergehen, was viele Kirchenmitglieder für die nächsten Jahre innerkirchlich zuversichtlich stimme.
In kriegerischen Auseinandersetzungen habe Papst Leo XIV. "unverzüglich Partei ergriffen": für die von der Hamas entführten Opfer ebenso wie für die hungernden Kinder im Gazastreifen, beschrieb Zulehner das friedenspolitische Engagement des Papstes. Klarer als Franziskus habe er sich im Ukraine-Konflikt auf die Seite der Opfer gestellt und die umgehende Rückführung Zehntausender nach Russland entführter ukrainischer Kinder verlangt. "Die Waffen müssten schweigen: die kriegerischen Lügenworte wie die todbringenden Raketen", legte Zulehner die Botschaft von Papst Leo XIV. aus. Das Ziel für Verhandlungen in der Ukraine müsse ein gerechter Friede sein - denn nur ein solcher sei dauerhaft.
Abwartend zeigten sich manche Kirchenmitglieder im Hinblick auf den Umgang des Papstes mit der Frauenfrage und der Gendertheorie: "Was er bisher über Frauen, Gendertheorie oder die Vielfalt sexueller Orientierungen äußerte, macht sie skeptisch", erklärte Zulehner. Frauen, die bisher mit ihm zusammengearbeitet hätten, teilten diese Skepsis jedoch nicht.
Erste Sozialenzyklika zur künstlichen Intelligenz?
Entscheidend werde auch sein, welche Rechte die kontinentalen Kirchenversammlungen erhalten werden. "Er kennt jene aus Lateinamerika. Den Vorschlag, den Eucharistiemangel in den vielen von bewährten Frauen und Männern geleiteten Gemeinden in Amazonien durch deren Weihe zu beheben, kennt er", legte Zulehner ohne Prognose dar.
Klarer benannte der Theologe einen anderen Schwerpunkt in der Amtszeit von Papst Leo XIV.: die Beschäftigung mit Künstlicher Intelligenz. In dieser sehe er "eine zweite Industrialisierung!". Mit den Folgen der Erfindung der Dampfmaschine und des Kapitalismus habe sich sein Namensgeber Leo XIII. 1891 mit "Rerum Novarum" hervorgetan. Leo XIV. widme sich "unermüdlich" den sozialen und menschlichen Folgen der Informatisierung und der künstlichen Intelligenz: "Es wäre keine Überraschung, schriebe nun bald Leo XIV. die erste Sozialenzyklika zur künstlichen Intelligenz", stellte Zulehner in Aussicht. Er wäre damit - wie Franziskus mit seiner Öko-Enzyklika "Laudato si" (2015) - der Zeit voraus.