Zulehner: "Papst mit Herz und Leidenschaft für die Welt"
21.04.202515:56
(zuletzt bearbeitet am 21.04.2025 um 17:27 Uhr)
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Theologe sieht Bemühung um inklusive Kirche als bleibendes Vermächtnis von Papst Franziskus - "Traditionsbesorgte Gruppen" werden in anstehendem Konklave Rückschritte anstreben - Diskussion über Frauenweihe und Amtszeit von Päpsten bleibt offen
Wien, 21.04.2025 (KAP) Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner hat das Pontifikat von Papst Franziskus als von einer tiefen Weltzugewandtheit und sozialer Leidenschaft geprägt gewürdigt. "Er war ein Papst mit Herz, ein Papst mit Leidenschaft für die Welt", sagte Zulehner in einem Interview mit der ORF-Sondersendung "ZIB spezial" am Montag. Der Tod des Papstes sei für ihn eine "blanke Überraschung" nach dem traditionellen Ostersegen "Urbi et Orbi" gewesen. Die Kirche erlebe derzeit eine "spannende Entwicklung", so Zulehner. Franziskus habe die Kirche geöffnet für "die biblische Grundmelodie des Erbarmens" und eine inklusive Gemeinschaft angestrebt: "Das war sein Traum."
Als bleibendes Vermächtnis des verstorbenen Pontifex hob Zulehner dessen Einsatz für globale Gerechtigkeit und seine ökologische Sensibilität hervor. Mit der Enzyklika Laudato si' (2025) habe Franziskus ein starkes Zeichen gegen den Klimanotstand gesetzt und sich stets von den großen Krisen der Welt bewegen lassen. Der Papst habe die Kirche dabei nicht als Selbstzweck verstanden, sondern als Institution, die in der Welt präsent sein müsse.
Zentral für das Pontifikat sei der Versuch gewesen, die Weltkirche synodal zu gestalten - also im Hören aufeinander und in gemeinsamer Verantwortung. Der Papst sei dabei als eine Art "Prozessmanager" aufgetreten, der sowohl "den progressiven als auch den konservativen Flügel" der Kirche mitnehmen wollte, erklärte der Theologe. Das Evangelium sei für Franziskus Maßstab gewesen, "ohne moralische und dogmatische Zutaten", so Zulehner.
Trotz Schwierigkeiten, die globale Kirche auf dem Weg zu einer synodalen Kirche mitzunehmen - insbesondere wegen zentralistischer Tendenzen - betrachtete Zulehner das synodale Projekt als unumkehrbar: "Er ist ein gutes Stück weitergekommen. Das kann nicht mehr rückgängig gemacht werden."
Mit Blick auf das bevorstehende Konklave sprach Zulehner vom Einfluss traditionsorientierter Kräfte: Manche Kardinäle würden versuchen, "die traditionelle Gestalt der Kirche zurückzubringen" und den eingeschlagenen Kurs zu beenden. Dennoch habe Franziskus rund zwei Drittel der künftigen Wähler im Konklave selbst ernannt.
Offen bleibt laut Zulehner aber weiterhin die Frage nach strukturellen Reformen, etwa der Öffnung des Diakonats für Frauen oder der Abschaffung des Pflichtzölibats. Letzterer sei kirchenrechtlich jederzeit änderbar, schwieriger sei hingegen die theologische Begründung für das Weiheamt von Frauen. Entscheidend sei, "was eine ordinierte Person darstellt" - den historischen Jesus oder den Auferstandenen, der jenseits der Geschlechter sei. Dass es weiterhin eine vatikanische Kommission zum Frauendiakonat gebe, sei ein Zeichen für die bleibende Offenheit der Frage, hielt der emeritierte Professor für Pastoraltheologie fest. Auch die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs bleibe ein Thema: "Manche Kirchen fangen jetzt erst richtig an", etwa die polnische Kirche, so Zulehner.
Insgesamt zeige sich, dass das Papstamt im Wandel sei. Zulehner kann sich vorstellen, dass es künftig auch eine auf Zeit begrenzte Ausübung dieses Amtes gibt - analog zu Bischöfen auf Zeit. "Warum eigentlich nicht? Warum soll es nicht auch ein Papstamt auf Zeit geben? Oder statt dem Konklave eine Vertretung der weltkirchlichen Versammlung?"