"Einladender Universalismus": Theologen trauern um Papst Franziskus
21.04.202513:39
(zuletzt bearbeitet am 21.04.2025 um 15:11 Uhr)
Österreich/Papst/Theologie/Tück/Striet/Rahner
Wiener Dogmatiker Tück auf "communio.de": Pontifikat von drei Stichwörtern geprägt: Evangelisierung, Barmherzigkeit, Synodalität - Synodalitäts-Expertin Csiszar: Nächster Papst wird Reformprojekt fortsetzen - Winkler: Franziskus stärkte gemeinsamen Weg
Wien/Freiburg, 21.04.2025 (KAP) Mit Trauer haben auch katholische Theologinnen und Theologen auf die Nachricht vom Tod von Papst Franziskus reagiert. So würdigte in einem Nachruf auf "communio.de" der Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück Franziskus als Vertreter eines "einladenden Universalismus" und als Papst, der das Papstamt und die Kirche nachhaltig verändert hat. Sein Pontifikat sei von drei "deutungsbedürftigen" Stichwörtern geprägt gewesen: Evangelisierung, Barmherzigkeit und Synodalität. Außerdem habe er in der Kirche einen "neuen Kommunikationsstil" geprägt. "Tabuthemen und Schweigegebote sollte es fortan keine mehr geben."
Als eine "optische Fehleinschätzung" bezeichnete Tück die spezielle Lesart päpstlicher Deutungen gerade im deutschsprachigen Raum, die den Papst nicht selten zur "Projektionsfläche deutscher Reforminteressen" machten. Franziskus habe weder den Zölibat gelockert noch das Frauenpriestertum eingeführt und auch zur Segnung homosexueller Paare die Tür nur einen Spalt weit geöffnet. Das habe Enttäuschungen provoziert - und zugleich davon abgelenkt, dass Franziskus "einen anderen Begriff von Reform hatte, der über Strukturfragen hinausging und die verschütteten Quellen eines christlichen Lebensstils neu freilegen wollte."
Der Fokus des Papstes auf das Thema Barmherzigkeit zeige seinen "einladenden Universalismus", der sich auch in seinem Anliegen widerspiegle, die Kirche in eine "synodal inklusive Kirche" umzubauen: "Die Vision des Konzils, dass potenziell alle Menschen Adressaten des Heils sind - nicht nur die Gläubigen, sondern auch die Anders-, Halb-, und Nichtgläubigen - diese Vision geht implizit von einem Gott aus, der alle retten will."
Winkler: Bischöfe und Gläubige gemeinsam unterwegs
Eine besonders prägende Linie des gesamten Pontifikats von Papst Franziskus hat der Salzburger Kirchenhistoriker und Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät, Prof. Dietmar Winkler, zu dessen Tod am Montag gegenüber Kathpress betont: "Franziskus griff auf ein frühkirchliches Verständnis des römischen Bischofsamtes zurück. Er betonte, dass Bischöfe und Gläubige gemeinsam den Weg der Kirche beschreiten, und bezeichnete die Kirche von Rom als jene, 'die den Vorsitz in der Liebe führt'."
Sein konsequentes Eintreten für eine partizipative Kirche und die aktive Einbindung aller Gläubigen in synodale Prozesse hätten sowohl innerkirchlich als auch ökumenisch richtungsweisend gewirkt. Ebenso habe sein Engagement für die Armen, für soziale Gerechtigkeit und für den Schutz der Lebensressourcen durch Klimagerechtigkeit jenes Amtsverständnis geprägt, das den Bischof als Teil des Volkes und den Papst als Bischof von Rom - als primus inter pares - begreift.
Csiszar: Nächster Papst wird Synodalität fortsetzen
Die Synode über Synodalität stellt einen "entscheidenden Moment in der Geschichte der katholischen Kirche" und damit nichts Geringeres als das Erbe des verstorbenen Papstes Franziskus dar: Das hat die Pastoraltheologin und Dekanin der Fakultät für Theologie an der Katholischen Privat-Universität Linz (KU Linz), Prof. Clara Csiszar, in einem Beitrag für die "Furche" betont. In der zentralen Frage, wie die Errungenschaften der Synode von einem möglichen Nachfolger weiterentwickelt werde, zeigte sich Csiszar zuversichtlich: "Die katholische Kirche ist eine Institution, die zwar stark von Persönlichkeiten und ihrer Führung geprägt ist, jedoch geschieht dies nicht willkürlich, sondern im Einklang und im Respekt des Dienstes, die bekleidet werden und ggf. dann wieder weitergegeben werden."
Päpste würden die Werke ihrer Vorgänger fortführen, weil sie der "Kontinuität der Lehre" verpflichtet seien und auf Beständigkeit, Einheit und Stabilität bedacht seien. "Garant dafür ist immer der petrinische Dienst an sich, unabhängig von der Person." Zudem bestehe im Zuge der Wahl des nächsten Papstes auch "die berechtigte Hoffnung", dass zum Profil des Gesuchten "auch die Fortsetzung des unter dem Pontifikat von Franziskus gestarteten synodalen Kulturwandels der Kirche gehören wird. Ein Gegenprofil aufzustellen und eine entsprechende Person zu suchen, wäre in der gegenwärtigen Kirchengeschichte kaum vorstellbar."
Striet: "Hier prallten Mentalitäten aufeinander"
Der Freiburger Theologe Magnus Striet hat Papst Franziskus für sein Umweltengagement gewürdigt. Zum Schutz der Ökosysteme und des Klimas habe Franziskus Texte mit stark aufforderndem Charakter veröffentlicht, um die Politik zum Handel zu bewegen, sagte Striet am Ostermontag der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Freiburg. "Um die notwendigen Maßnahmen politisch zu organisieren, bedarf es starker Akteure. Und in diesem Punkt war Franziskus eine vernehmbare Stimme."
Mit der katholischen Kirche in Deutschland habe der Papst allerdings immer "gefremdelt", sagte Striet. "In vielem war ihm die Kirche in Deutschland zu akademisch, zu stark auf theologische Eindeutigkeit und Strukturfragen hin ausgerichtet. Hier prallten Mentalitäten aufeinander." Ein wichtiger Verdienst von Franziskus sei es gewesen, die "längst unübersehbaren innerkirchlichen Spannungen nicht länger unterdrückt zu haben", sagte der Freiburger Theologe. "Gleichzeitig wird man ihm vorhalten müssen, nur begrenzt Perspektiven bezogen auf die Zukunft der Kirche aufgezeigt zu haben. Ein entschiedener Theologe war er nicht."
Im Blick auf innerkirchliche Reformthemen sieht Striet Widersprüche und Diskrepanzen im Handeln des verstorbenen Papstes. Einerseits habe Franziskus beispielsweise von heilsamer Dezentralisierung gesprochen und die Kirchenverantwortlichen aufgefordert, ihr Handeln immer in den Dienst der Menschen in den Kirchengemeinden zu stellen. Andererseits habe er aber keine Änderungen der offiziellen Lehrmeinung der Kirche gewagt, etwa im Umgang mit Frauen, kritisierte Striet.
Rahner: Franziskus hat Kirche dauerhaft verändert
Die katholische Theologin Johanna Rahner sieht Papst Franziskus kirchenhistorisch in einer bedeutenden Rolle. "Franziskus ist mit Sicherheit ein Papst gewesen, von dem man sagen kann: Die Kirche ist nach seiner Amtszeit dauerhaft anders als sie vorher gewesen ist", sagte Rahner der KNA. Papst Franziskus war am Morgen des Ostermontags im Alter von 88 Jahren an den Folgen einer schweren Lungenentzündung gestorben, wie der Vatikan bestätigte.
Rahner sagte weiter, Papst Franziskus habe neue Methoden der Entscheidungsfindung und des Austausches angestoßen und etabliert. "Dahinter wird auch sein Nachfolger nicht mehr zurückgehen können", sagte Rahner (63), die Professorin für Dogmatik, Dogmengeschichte und Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen ist. "Man kann jetzt wieder offen diskutieren in der Katholischen Kirche - anders als beim Hardcore-Katholizismus der beiden Vorgänger-Pontifikate von Johannes Paul II. und Benedikt XVI.", betonte Rahner. Die beiden Vorgänger hätten "die notwendigen Diskussionen um den Weg der Kirche in die Zukunft verhindert oder zum Verstummen gebracht".
"Missbrauchs-Faktoren nicht wirklich bearbeitet"
Kritisch merkte die katholische Theologin jedoch an: "Manchmal hätte ich mir gewünscht, Franziskus hätte Dinge, die offensichtlich entscheidungsreif waren, einfach entschieden" - etwa bei der Öffnung des Diakonen-Amts für Frauen oder bei der Abschaffung des Pflichtzölibats für Priester. Hier nichts zu entscheiden, sei "ja auch eine Entscheidung, die viele nicht mehr verstehen". In Sachen Missbrauch habe Franziskus zwar "vom Kampf gegen den Klerikalismus gesprochen, aber systemische Faktoren, die sexuellen Missbrauch in der Kirche begünstigen, hat er nicht wirklich bearbeitet", so Rahner.
Franziskus habe jedoch in vielen Bereichen Position bezogen - etwa bei Migration, Klimakrise und Ökumene - "und so die Leute gestärkt, die vor Ort die Arbeit in der Kirche leisten", sagte die Theologin. Von Franziskus' Pontifikat bleiben werde auch eine "Wiederentdeckung der katholischen Soziallehre, des politischen Engagements von Kirche".