Diözese Würzburg kündigt Konsequenzen nach Missbrauchsgutachten an
14.04.202512:51
(zuletzt bearbeitet am 14.04.2025 um 13:08 Uhr)
Österreich/Religion/Christentum/Kirche/Religion
Bischof Jung: Austausch mit Betroffenenbeirat und Betroffenen im Mai geplant - Maßnahmenkatalog soll bis Ende September erarbeitet werden
Würzburg, 14.04.2025 (KAP/KNA) Knapp eine Woche nach Vorstellung eines Gutachtens zur sexualisierten Gewalt in der deutschen Diözese Würzburg haben sich deren Leitung und weitere Verantwortliche zu den Konsequenzen geäußert. So seien durch die Studie des Wiesbadener Rechtsanwalts Hendrik Schneider auch bisher unbekannte Informationen zu einem Fall ans Licht gekommen, sagte die Interventionsbeauftragte Kerstin Schüller am Montag vor Journalisten in Würzburg. Diesen solle nun nachgegangen werden; man habe bereits Einsicht in die Ermittlungsakte bei der zuständigen Staatsanwaltschaft beantragt.
Der Würzburger Bischof Franz Jung kündigte an, sich im Mai mit dem Betroffenenbeirat und weiteren Betroffenen in der Diözese austauschen zu wollen. Außerdem werde es zum Auftakt einen Workshop mit der Unabhängigen Kommission geben, um gemeinsam konkrete Maßnahmen zu erarbeiten. Bis Ende des dritten Quartals 2025 sollen diese fertig sein. Im April 2026 werde es dann ein Update zu den Fortschritten geben.
Jung verlas zudem Statements seines Vorgängers im Amt, Bischof Friedhelm Hofmann, sowie des einstigen Missbrauchsbeauftragten und inzwischen emeritierten Domkapitulars Heinz Geist. Beide baten um Entschuldigung. Geist kündigte zudem an, aufgrund seiner Versäumnisse auf seine Mitgliedschaft im Domkapitel, auf die Feier öffentlicher Gottesdienste sowie auf pastorale Veranstaltungen zu verzichten. Jung nannte dies ein "bemerkenswertes Zeichen der Verantwortungsübernahme", das auch mit finanziellen Einbußen verbunden sei.
Bischof: Mangelnde Unterstützung aus dem Vatikan
Bei der Pressekonferenz hat der Würzburger Bischof Franz auch den Umgang der vatikanischen Glaubensbehörde mit Missbrauchsfällen kritisiert. Wenn die Diözese Fälle nach Rom gemeldet und um Handlungsempfehlungen gebeten habe, sei die Antwort meist gewesen, der Bischof solle im eigenen Ermessen entscheiden, sagte Jung am Montag in Würzburg. Das könne er einerseits verstehen, weil damit die Zuständigkeit in der Diözese bleibe. Dennoch wünsche er sich konkretere Angaben und kein "Guck halt, was du daraus machst", wenn es diese Pflicht zur Meldung gebe.
Diese Meldepflicht nehme er sehr ernst, betonte Jung. Die Diözese Würzburg habe in der Vergangenheit teils härtere Gangarten gegenüber Tätern vorgeschlagen, die von der Glaubensbehörde aus unterschiedlichen Gründen wieder abgemildert worden seien. "Das sind Dinge, die mich auch teilweise irritiert haben. Ich habe das auch immer wieder als Rückmeldung eingespielt", sagte der Bischof. Über diese Vorgänge müsse weiter nachgedacht werden. Jung kritisierte zudem, dass die Diözesen in Deutschland inzwischen teils sehr unterschiedliche Gutachten mit verschiedenen methodischen Ansätzen vorgelegt hätten. Ein einheitliches Aufarbeitungsprojekt wäre eigentlich im Sinne aller gewesen.
Für das Gutachten war der Umgang der Diözese mit Missbrauchsfällen von 1945 bis 2019 untersucht worden. Ermittelt wurden 51 Beschuldigte, davon 43 Geistliche. Die Aufarbeitungskommission hatte sich den Angaben zufolge für einen engen Täterbegriff entschieden. Erfasst wurden demnach nur strafrechtlich relevante Handlungen an Minderjährigen, wenn es einen hinreichenden Verdacht gab.
Grenzverletzungen unterhalb dieser Schwelle, wie sie etwa die bundesweite MHG-Studie 2018 berücksichtigt hatte, waren außen vor geblieben. In der MHG-Studie war bezogen auf die Diözese Würzburg von 62 beschuldigten Priestern und Diakonen die Rede gewesen, außerdem von 157 Betroffenen. Die Zahl des neuen Gutachtens mit 226 Betroffenen ist deutlich höher. Insgesamt gab es den Angaben zufolge 3.053 Übergriffe.