Jerusalemer Kardinal: Regierung braucht Zukunftsvision für Israel
12.04.202513:51
Israel/Konflikte/Krieg/Christentum
Lateinischer Patriarch von Jerusalem, Pizzaballa: Friedensgespräche dürfen nicht scheitern - Frage nach künftigem Zusammenleben nicht aufschieben
Jerusalem , 12.04.2025 (KAP/KNA) Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, hat vor einem Scheitern der Gespräche zur Beendigung des Krieges in Israel gewarnt. Falls sie scheiterten, werde es eine "sehr problematische, eine sehr katastrophale Situation geben", sagte er in einem Video-Interview der "Welt" (online, Samstag). Die Gespräche würden die Geiseln, den Waffenstillstand und die Zukunft des Gazastreifens betreffen. Derzeit sei er nicht sehr optimistisch, so der Kardinal. Die Lage in Israel und dem Gazastreifen sei unvorhersehbar und können sich von Tag zu Tag ändern. Kritik übte Pizzaballa auch an den politischen Institutionen: Sie hätten ihr Versagen gezeigt.
Laut Pizzaballa mangelt es der israelischen Regierung auch an Visionen. "Man muss bei den einfachen Dingen anfangen: die Vision für den Tag nach dem Krieg." Er spreche nicht nur vom Krieg, sondern auch vom Israel-Palästina-Konflikt. "Wenn man sich um sein Volk sorgt, dann sorgt man sich als Politiker um das Wohl seines Landes. Wenn Sie keine Zwei-Staaten-Lösung wollen, welche andere Lösung wollen Sie dann?" Palästinenser wie Israelis würden weiterhin hier leben, einer in der Nähe des anderen. Dafür müsse ein Rahmen geschaffen werden.
Teil des Problems ist nach Einschätzung Pizzaballas auch die Zersplitterung auf beiden Seiten. In der israelischen Gesellschaft wie bei den Palästinensern im Westjordanland gebe Fraktionen und Spaltungen. Das zeige, "in welcher kritischen Krise wir leben". "Hier fehlt es auch an Führung, denn für eine Vision brauchen wir Führung", so der Kardinal.
Pizzaballa hatte sich unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023 als Austauschgeisel angeboten, was aber abgelehnt wurde. Den Verhandlungstisch habe die Kirche aber nie verlassen. An Verhandlungen, so der Lateinische Patriarch, sollten sich alle beteiligen; und zwar "nicht sichtbar, aber hilfreich". Aufgabe der Kirche sei demnach, Dialog zu fördern, aber weniger konkret zu vermitteln.
Seit Kriegsbeginn besuchte Pizzaballa zweimal den Gazastreifen. Die Situation dort bezeichnete er als katastrophal. "Der erste Eindruck ist ein verlassenes Land und die Menschen, die dort noch leben, mitten im Nichts und Nirgendwo." Die christliche Gemeinde werde so gut es geht geschützt. Auch versuche man, Lebensmittel für die Gemeinde mit 600 Mitgliedern wie auch die etwa 40.000 Menschen in der Umgebung zu liefern. Die Menschen seien müde und würden darum bitten, die anhaltende Gewalt zu beenden.
Caritas-Österreich-Vizepräsident Bodmann: "Wir sehen eine völlige Missachtung der humanitären Grundprinzipien" - Katastrophale Versorgungslage im Gazastreifen