Synodalität, ein entschlossener Papst, Generationenwechsel in der Caritas und die kirchlichen Mühen der Ebene - Ein kursorischer Jahresrückblick von Kathpress-Chefredakteur Paul Wuthe
Synodalität, ein entschlossener Papst, Generationenwechsel in der Caritas und die kirchlichen Mühen der Ebene - Ein kursorischer Jahresrückblick von Kathpress-Chefredakteur Paul Wuthe
Kein Ende im Krieg Russlands gegen die Ukraine, Terror und Krieg im Heiligen Land und die Vertreibung der Armenier aus Berg-Karabach: Die Krisen und Kriege der Welt waren auch für die katholische Kirche 2023 bestimmende Themen. Innerkirchlich hat in diesem Jahr das Suchen und Einüben in eine spezifisch katholische Spielart von Synodalität eine neue Qualität erfahren. Noch ist nicht klar, was gelebte Synodalität auf welt- und ortskirchlicher Ebene in Zukunft konkret bringen wird. Als gesichert kann jedoch gelten, dass die von Papst Franziskus in Gang gesetzte Dynamisierung und Öffnung der Kirche auch nach dem offiziellen Ende der Weltsynode voraussichtlich im Oktober 2024 weitergehen wird.
Das erste Jahr ohne Benedikt XVI.
2023 - das ist auch das Jahr, in dem man wieder ungeniert einen alten, aber guten Witz in Anlehnung an den Blockbuster "Highlander" erzählen kann (Was sagen zwei Päpste, die einander begegnen? - Es kann nur einen geben!). Nachdem die "irdische Pilgerschaft" von Benedikt XVI. am 31. Dezember 2022 zu Ende gegangen ist, erfolgte am 5. Jänner der finale Akt mit den vatikanischen Begräbnisfeierlichkeiten für den emeritierten Papst.
Knapp zehn Jahre nach dem historischen Amtsverzicht des deutschen Papstes war die Zeit der Nachrufe, Porträts, Analysen und Einordnungen gekommen. Resümierend auf das vielfältige mediale Bild kann gesagt werden: räumliche Nähe zur Person schuf im Fall von Benedikt XVI. eher mehr Unstimmigkeit, wie der Blick in seine deutsche Heimat zeigte. Ausgewogener und oft positiver fiel hingegen das Urteil über ihn außerhalb des deutschen Sprachraums aus. Und nicht selten hatte man den Eindruck, dass das Urteil der säkularen Welt gnädiger und abgeklärter war, als so mache Wortmeldung aus dem innerkirchlichen Bereich.
Auffällig wenig über das Pontifikat Benedikts, aber dafür umso feinfühliger über den Menschen und Christ sprach Papst Franziskus beim Requiem. Wo es nicht genug Worte gibt und zugleich jedes einzelne zu viel ist, hilft nur die stimmige Geste: Mit der Hand auf dem Sarg seines Vorgängers, der fast zehn Jahre als "Papa emerito" im Vatikan verbracht hatte, schuf Franziskus schon zu Lebzeiten ein inspirierendes Bild, das auch ihn überdauern wird. Und die heimischen Bischöfe nahmen mit einem Requiem im Stephansdom gesammelt Abschied von jenem Papst, der 2007 Österreich besucht hatte.
Entschlossenheit mit Grenzen
Sehr entschlossen - so kann das Wirken von Papst Franziskus nach mehr als zehn Jahren im Amt beschrieben werden. Das zeigte sich 2023 beispielsweise in der Versetzung von Erzbischof Georg Gänswein in seine deutsche Heimatdiözese Freiburg, der Amtsenthebung des texanischen Bischofs Joseph Strickland oder in der Ernennung von Erzbischof Victor Fernandez im Juli zum Präfekten des Glaubensdikasteriums. Seinen argentinischen Landsmann und 20 andere erhob der Papst im Oktober auch in den Kardinalsrang. Damit sind jetzt mehr als zwei Drittel der Kardinäle, die an einem Konklave teilnehmen dürfen, von Franziskus ernannt.
Entschlossenheit zeigte der Papst auch bei seinem vermutlich wichtigsten Projekt, dem weltweiten synodalen Prozess. Erstmals ernannte ein Papst eine maßgebliche Anzahl von Nicht-Klerikern - also auch Ordensfrauen oder Männer und Frauen aus dem Laienstand - als stimmberechtigte (!) Mitglieder einer Bischofssynode (!). Völlig neu war das Setting der Versammlung im Vatikan: Runde Tische statt Frontalunterricht, so präsentierte sich erstmals die Synodenaula. Und an einem runden Tisch - lediglich ein wenig erhöht - saß der Pontifex und hörte meistens zu. Selbst das kurz vor Beginn vom Papst verhängte Interview-Verbot für alle Synodenteilnehmer - unter ihnen aus Österreich Kardinal Christoph Schönborn und Erzbischof Franz Lackner sowie als Beraterin (ohne Stimmrecht) die Linzer Theologin Klara Csiszar - zeugte von Entschlossenheit, hielt wider Erwarten und löste keinen medialen Aufstand aus.
Beeindruckend blieb das Arbeitspensum des am 17. Dezember 87-jährigen Pontifex, der viele Termine im zu Ende gehenden Jahr nur im Rollstuhl absolvieren konnte. So hielt Franziskus 2023 im Schnitt etwa 20 Reden im Monat. Hinzu kamen Generalaudienzen und Mittagsgebete, Botschaften zu Welttagen und Gebetsanliegen, Gesetzesänderungen und weitere offizielle Schreiben. Auf fünf Reisen legte er über 36.000 Kilometer zurück, besuchte den Kongo und den Südsudan, Ungarn, die Mongolei sowie Lissabon und Marseille. Er traf Staatsoberhäupter, Kardinäle und Bischöfe sowie unzählige Gläubige.
Fix geplant, aber krankheitsbedingt nicht durchführbar war die Teilnahme von Franziskus beim Weltklimagipfel COP28 in Dubai. Bereits im Oktober, gleich zum Auftakt der Bischofssynode, hatte der Papst mit dem Schreiben "Laudate Deum" erneut rasche Schritte gegen die Klimakrise eingemahnt und Leugner des Problems - auch innerhalb der Kirche - deutlich abgemahnt. "Die Sorge um das gemeinsame Haus", wie Franziskus den verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung beschreibt, bleibt ein Top-Thema für diesen Papst.
Grenzen setzt dem päpstlichen Wirken aber die Natur selbst - sprich seine Gesundheit. Anfang Juni musste er erneut am Darm operiert werden. Zehn Tage verbrachte Franziskus in der päpstlichen Krankenwohnung im römischen Gemelli-Krankenhaus. Es war nicht der erste Krankenhausbesuch in diesem Jahr und sollte nicht der letzte bleiben. Doch nach der OP wirkte Franziskus sehr fit für sein volles Spätsommer- und Herbstprogramm. Der Weltjugendtag in Lissabon Anfang August wurde nicht zuletzt seiner sehr prägnant und einfach gehaltenen Ansprachen ein beachtlicher Erfolg mit mehr als einer Million Teilnehmenden.
Mühen der Ebene
Voll positiver Eindrücke und somit gestärkt für die Mühen der Ebene sind dem Vernehmen nach auch die österreichischen Jugendlichen und die sie begleitenden vier Bischöfe vom Weltjugendtag in Lissabon im August zurückgekehrt. Ein Monat später zeigte die erstmals im September veröffentlichte heimische Kirchenstatistik ein durchwachsenes Bild: Sie bestätigte für 2022 mit etwas mehr als 90.000 einen Höchststand an Kirchenaustritten, ein Erholen des kirchlichen Lebens nach Corona und stagnierende Einnahmen bei einer anhaltenden Teuerung. Die Gründe dafür sind vielfältig und einfache Rezepte zur Änderung gibt es nicht - darin sind sich fast alle einig, die sich ernsthaft mit der Lage der Kirche und des Glaubens befassen.
Die in den letzten beiden Jahren stark gestiegene Inflation war sicher auch ein Anlass, sich vermehrt von der Gemeinschaft der Kirchenbeitragszahlenden zu verabschieden, hieß es aus den Diözesen. Dass die Teuerung von Wohnen, Energie und Lebensmittel vor allem Armutsgefährdete besonders trifft, darauf hat nicht zuletzt die kirchliche Caritas gerade in diesem Jahr immer hingewiesen und auch mit vielen Initiativen abzumildern versucht.
Caritas stellt sich neu auf
"Not sehen und handeln" - dieses Credo bleibt bestimmendes Leitmotiv bei der nach den staatlichen Institutionen größten Sozial- und Hilfsorganisation des Landes, an deren Spitze jetzt ein Wechsel vollzogen wird. Denn erstmals in ihrer Geschichte wird mit Nora Tödtling-Musenbichler (40), der bisherigen steirischen Caritas-Direktorin, ab Februar 2024 eine Frau als Präsidentin der Caritas Österreich fungieren. Sie und das verjüngte Caritas-Präsidium folgen Michael Landau (63) nach, der insgesamt 28 Jahre in Caritas-Spitzenfunktionen gewirkt hat und weiter Präsident der Caritas Europa bleibt. Unter Landau hat sich das wichtigste Hilfswerk der katholischen Kirche in Österreich deutlich weiterentwickelt: Mit 17.000 hauptamtlichen und knapp 46.000 ehrenamtlichen Mitarbeiter an mehr als 1.600 Standorten engagiert sich die Caritas gegen die vielfältigen Nöte im Inland und im Ausland und konkretisiert damit den Kern des Evangeliums durch tätige Nächstenliebe.
Abschied nehmen musste die Kirche in Österreich 2023 von ihrem letzten großen Konzilszeugen: Beim feierlichen Requiem im Stephansdom für den früheren Wiener Weihbischof Helmut Krätzl, der am 2. Mai im 92. Lebensjahr heimgegangen ist, erwies ihm selbst der (evangelische) Bundespräsident - auch stellvertretend für viele in Politik und Gesellschaft - die letzte Ehre. Kardinal Schönborn würdigte Krätzl in seiner Predigt als einen herausragenden Priester, Seelsorger und Bischof, der "leidenschaftlich engagiert, kritisch, aber nie bitter war", weil er "nie seine Liebe zur Kirche verloren" habe. Krätzl, der zeitweise beim Zweiten Vatikanischen Konzil als Stenograph tätig war, und die Kirche in der Umsetzung des Konzils "im Sprung gehemmt" sah - so der Titel seines wohl bedeutsamsten Buches -, durfte in den letzten Lebensjahren erleben, dass die Kirche unter Franziskus wieder verstärkt dem Geist des Konzils Raum gibt.
Dass sich die Kirche in Österreich derzeit - anders als in Deutschland und in der Schweiz - und verglichen mit der aktiven Amtszeit Krätzls wieder in ruhigeren Gewässern befindet, ist sicherlich auch dem langjährigen Wirken von Kardinal Schönborn zu verdanken. Deutet man die Äußerungen des Wiener Erzbischofs und die vatikanischen Signale richtig, dann wird der Kardinal - so Gott will - 2024 weiter voll im Amt bleiben.