KAÖ-Präsident Kaineder: Durchbrüche der vor 60 Jahren beendeten Kirchenversammlung heute "selbstverständlich und zugleich wieder gefährdet"
Wien, 06.12.2025 (KAP) Die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) ruft zum 60. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils dazu auf, dessen Impulse in Gegenwart und Zukunft konsequent weiterzuführen, inbesondere durch den laufenden synodalen Prozess. KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder bezeichnete das Konzil in einer Stellungnahme vom Samstag als "Durchbruch dessen, was heute selbstverständlich ist und zugleich wieder gefährdet wird" - insbesondere Menschenwürde, unteilbare Menschenrechte sowie Gewissens- und Religionsfreiheit.
Das Zweite Vatikanische Konzil habe der Kirche ein neues Verhältnis zu Freiheit und Verantwortung eröffnet, so Kaineder. Der frühere Anspruch auf absoluten Gehorsam sei durch die Betonung des gebildeten Gewissens ersetzt worden. Religiöse Freiheit ermögliche heute ein "geschwisterliches Miteinander der Religionen", die rechtliche Gleichheit aller Menschen sei Grundlage demokratischer Gesellschaften. Staatlich garantierte Religionsfreiheit stärke zudem die Einsicht, dass Glauben und Freiheit keine Gegensätze, sondern zwei Seiten desselben Vollzugs seien.
Die Konzilsväter - "es waren nur Männer", wie Kaineder betont - hätten Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit als Fundament gelingenden Zusammenlebens definiert. Deshalb trete die Kirche seit dem Konzil für die Glaubens- und Gewissensfreiheit aller Menschen ein. Über Jahrzehnte habe sie sich so zu einer Anwältin dieser Rechte entwickelt; ihre Stimme sei angesichts gesellschaftlicher Verwerfungen und autokratischer Tendenzen "wichtiger denn je".
Die Katholische Aktion versteht sich als Bewegung im Sinn des gemeinsamen Apostolats aller Getauften und sieht sich durch das Jubiläum ermutigt, die Fortführung des Konzils besonders im synodalen Prozess zu verankern. Synodalität sei "die prägende Grundstruktur einer zukünftigen Kirche", die auf gemeinsame Verantwortung und das Hören aufeinander setze.
Frauenfrage entscheidet Glaubwürdigkeit
Besonders dringlich bleibe die Frage der Geschlechtergerechtigkeit. Vor 60 Jahren sei diese Problematik kaum bewusst gewesen, heute stelle sie jedoch einen Kernpunkt kirchlicher Glaubwürdigkeit dar. Die fortgesetzte Verwehrung des geweihten Amtes für Frauen werde zunehmend als Bruch mit den Prinzipien der Menschenrechte wahrgenommen. Durch die Orientierung an liberalen Verfassungsstaaten könne die Kirche hier von der Welt lernen, so Kaineder. Der Theologe Johann Baptist Metz habe zu Recht von einer notwendigen "Verweltlichung" gesprochen. Die Kirche müsse anerkennen, "dass sich das Evangelium in der Welt inkarniert hat und täglich tut".
Die KAÖ betont, sie baue auf alle weltlichen Erkenntnisse, die zu mehr Gerechtigkeit, Frieden und Fairness beitrügen. Gleichzeitig warnt sie vor rechtspopulistischen und neo-integralistischen Strömungen, die "das Rad der Zeit zurückdrehen" und Menschen in neue Formen von Abhängigkeit und Gehorsam führen wollten. Nötig sei "heute mehr denn je" der Geist der Freiheit und geschwisterlichen Verbundenheit, den das Zweite Vatikanum freigelegt habe, sowohl in der Gesellschaft als auch innerhalb der Kirche.
Öffnung der Kirche
Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) verabschiedete 16 Dokumente, die eine umfassende Reform der katholischen Kirche anstießen. Es war ein Reform-, kein Lehrkonzil und leitete tiefgreifende Veränderungen ein, darunter eine liturgische Erneuerung, eine Stärkung der Ortskirchen und eine deutliche Aufwertung der Rolle der Laien. Zudem öffnete sich die Weltkirche stärker dem ökumenischen und interreligiösen Dialog.
Mit der feierlichen Schlussveranstaltung am 8. Dezember 1965 endete das größte Kirchenereignis des 20. Jahrhunderts. Eine der bedeutendsten Gesten war die gemeinsame Erklärung von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras, mit der beide Kirchen den seit 1054 bestehenden gegenseitigen Bann aufhoben. Das Konzil löste weltweit Aufbruchstimmung aus, führte später jedoch auch zu Verunsicherung und kontroversen Debatten über seine Auslegung. Bis heute ringen kirchliche Gruppen und Theologen um den "Geist des Konzils".