Bischof: Evakuierungsbefehl denkbares Motiv für Angriff auf Kirche
18.07.202514:41
Palästina/Krieg/Kirche/Krise/Orden
Weihbischof von Palästinas Katholiken, Shomali: Granate könnte "Signal" an Flüchtlinge gewesen sein - Franziskaner-Vikar Faltas: Schon zuvor Gewaltserie auch gegen Christen
Jerusalem, 18.07.2025 (KAP) Nach dem tödlichen Angriff auf das Gelände der katholischen Pfarre "Heilige Familie" in Gaza-Stadt hat der für die römischen Katholiken in Palästina zuständige Weihbischof des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, William Shomali, einen möglichen Zusammenhang mit der Weigerung von Zivilisten zur Evakuierung nicht ausgeschlossen. Bei der Attacke am Donnerstagmorgen wurden drei Menschen getötet und zehn verletzt, darunter Pfarrer Gabriel Romanelli.
Das israelische Militär kündigte eine Untersuchung an. Nach Angaben des Lateinischen Patriarchats wurde die Kirche beschädigt, das benachbarte Schulgebäude, in dem rund 500 Binnenflüchtlinge - darunter über 100 Kinder - untergebracht sind, blieb unversehrt.
Shomali erklärte im Interview mit Vatican News (Freitag), die israelische Armee habe zuvor mehrfach gefordert, den kirchlichen Komplex zu verlassen. "Der gleiche Befehl wurde den Flüchtlingen erteilt, die im Komplex der orthodoxen Kirche 'Heiliger Porphyrius' leben. Der Befehl lautete, sich in Richtung Süden zu begeben, denn sie wollen den gesamten Norden der Enklave räumen", sagte der katholische Geistliche, der selbst Palästinenser ist.
Die Christen in Gaza-Stadt seien geblieben - aus Angst vor katastrophalen Zuständen im Süden. "Dort gibt es weder Nahrung noch Wasser oder Medikamente. Sie würden dort unter Zehntausenden hungernden Menschen ohne Überlebensmöglichkeiten in der Anonymität verschwinden", so Shomali. Er frage sich jetzt, "ob es einen Zusammenhang zwischen der Nichtbefolgung des Befehls und dem Angriff geben könnte. Ist das ein Signal, dass man gehen sollte, weil sonst das Schlimmste passieren wird? Wir wissen es nicht, aber ein Zusammenhang ist möglich."
Rasche Beerdigung
Am Donnerstag gegen 10:20 Uhr war die Kirche der im Stadtteil Zeitoun von Gaza-Stadt einzigen katholischen Pfarre des umkämpften Gebietes von der israelischen Armee angegriffen worden. Die Beerdigung der Toten habe vor Einbruch der Nacht stattfinden müssen, zumal es in Gaza keine Kühlschränke gebe, sagte Bischof Shomali über die zu ihm nach Jerusalem gelangten Berichte. Die Verletzten seien ins nahe gelegene anglikanische Krankenhaus im Norden Gaza gebracht worden. Dort gebe es allerdings nur rudimentäre Mittel zur Versorgung sowie einen Mangel an Strom, Medikamenten und Personal; mehr als Erste Hilfe könne nicht geleistet werden.
Nach dem Angriff hatte das Patriarchat Kontakt zur israelischen Armee aufgenommen. "Sie sagen, sie seien sich bewusst, was passiert ist, und dass sie nun eine Untersuchung durchführen werden", berichtete Shomali davon. Eine Antwort auf die Frage nach dem Motiv habe man jedoch nicht erhalten. Die israelische Regierung drückte "tiefe Trauer" aus und erklärte, religiöse Stätten würden nicht gezielt angegriffen. Allerdings waren bereits in den vergangenen Monaten bei Angriffen auf kirchliche Einrichtungen in Gaza Dutzende Zivilisten getötet worden.
"Kein Einzelfall"
Dass es sich bei der Granate auf die katholische Kirche "Heilige Familie" in Gaza durchaus um einen Teil einer fortlaufenden Gewaltserie handelte, erklärte der Vikar der Kustodie des Heiligen Landes, Ibrahim Faltas, in einem Interview mit der italienischen Zeitung "Avvenire" (Freitag). "Der Vorfall in der Pfarrei von Gaza war kein Einzelfall", sagte der aus Ägypten stammende Franziskanerpriester, der in direktem Kontakt mit der Gemeinde steht und am Freitag mit Pfarrer Romanelli telefoniert hatte. Die Menschen vor Ort hätten von einem lauten Knall berichtet, gefolgt vom Geräusch von einstürzendem Mauerwerk sowie Schreien der Verletzten.
Faltas betonte, dass auch frühere Angriffe auf christliche Einrichtungen nicht aufgeklärt seien, darunter jener im Dezember 2023, als zwei Frauen getötet wurden. Auch der Angriff auf die orthodoxe St.-Porphyrius-Kirche bereits am 9. Oktober desselben Jahres mit 18 Toten bleibe unvergessen.
Zur Frage, ob es sich um ein militärisches Versehen gehandelt haben könnte, erklärte Faltas: "Der Fehler ist, diesen schrecklichen Krieg fortzusetzen. Der Fehler ist, einen Kampf weiterzuführen, der Tag für Tag die Liste der Toten verlängert. Genug des Hasses, genug der Rache."
Die humanitäre Lage in Gaza sei verheerend. "Der Gazastreifen, wie wir ihn vor dem 7. Oktober kannten, existiert nicht mehr. Ganze Städte wurden ausgelöscht." Laut Faltas seien zwei Drittel der Bevölkerung auf der Flucht. "Sobald Menschen sich an einem Ort niederlassen, werden sie weitergeschickt. Und es gibt keinen sicheren Ort - nicht einmal die Pfarre."
Ordensfrau: Bomben fallen weiter
Von einer anderen eng mit dem Schicksal Gazas Vertrauten, der Ordensfrau Nabila Sahel, kam ein eindringlicher Appell an alle Regierenden weltweit zu einem "Wort der Gerechtigkeit und des Friedens. Es reicht!", betonte die den Rosenkranzschwestern zugehörige Nonne, die über 15 Jahre lang in Gaza als Schulleiterin und später an der Seite der Schutzsuchenden in der Pfarre tätig war und sich derzeit außerhalb Gazas aufhält, im Interview mit Vatican News (Freitag). Nach dem Angriff habe sie sofort Kontakt aufgenommen. "Man sagte mir, dass sie große Angst haben. Die Bombardierungen gehen weiter, und sie sagen: 'Wir haben keine Kraft mehr.'"
Die beim Angriff Getöteten kannte Schwester Nabila persönlich: Saad Issa Kostandi Salameh, der als Hausmeister in der Kirche arbeitete, sei "sehr gut, hilfsbereit, immer bereit zu dienen" gewesen. Auch Foumia Issa Latif Ayyad, Schulleiterin bei UNRWA, sei unter den Toten. "Obwohl sie krank war, sprach sie oft über ihr Leben. Sie war sehr tüchtig, las viel im Evangelium und teilte, was sie daraus lernte." Eine dritte Frau, die ursprünglich aus der nahegelegenen orthodoxen Kirche kam und dort Schutz gesucht hatte, erlag am Donnerstag ihren Verletzungen, Details zu ihrer Identität lagen zunächst nicht vor.
Bereits im Oktober 2023 war die benachbarte orthodoxe Kirche St. Porphyrius von israelischen Luftangriffen getroffen worden. Schon damals hatte Schwester Nabila die Angriffe öffentlich als "Massaker" kritisiert. Wenn es keine Gerechtigkeit gibt, könne man nicht schweigen, erklärte sie kurz darauf.
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