Tradition trifft Pädagogik: Jungschar setzt auf angstfreien Nikolaus
21.11.202511:14
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Jungschar setzt auf kindgerechtes, angstfreies Verständnis des populären Heiligen - Steiermark begeht 40 Jahre Nikolausaktion - Nikolausschulen vermitteln Werte statt Drohungen - Frauen als Nikolaus ausdrücklich willkommen
Wien/Graz, 21.11.2025 (KAP) Er ist der bekannteste und wohl beliebteste Heilige der Ostkirchen und der lateinischen Kirche: Nikolaus von Myra, im vierten Jahrhundert Bischof von Myra (Demre) in der heutigen Türkei. Der Heilige - oft mit Bischofsmütze, weißem Bart und drei Äpfel dargestellt - bringt an seinem Gedenktag am 6. Dezember traditionell das Nikolaussackerl. Gefürchtet wird sich vor seinem grausigen Begleiter, dem Krampus, und einem erhobenen Zeigefinger. "Der Nikolausbesuch soll Freude und Mut machen. Angst, Sündenregister oder ein drohender Krampus haben bei uns keinen Platz", so Jungschar-Referent Matthias Graf gegenüber Kathpress. Denn: Der Heilige sei "Schutzpatron der Kinder, nicht ihr Erzieher oder Mahner".
Die Jungschar setzt konsequent auf ein angstfreies, kindgerechtes Verständnis der beliebten Figur. Dieses pädagogische Verständnis prägt ihre Nikolausschulen seit den 1990er Jahren. Dort lernen künftige Nikoläuse und Nikoläusinnen - Frauen sind ausdrücklich willkommen -, wie der Heilige als freundlicher, zugewandter Beschützer dargestellt wird. Auf dem Programm stehen die Legenden des Bischofs von Myra aus dem 4. Jahrhundert ebenso wie praktische Hinweise zu Auftritt, Sprache und Kostüm. Fragen wie "Braucht Nikolaus einen weißen Bart?" oder "Wie unterscheidet er sich vom Weihnachtsmann?" gehören ebenfalls dazu.
Für den diesjährigen Schulungstermin der Katholischen Jungschar der Diözese Graz am 27. November (18.30 Uhr, Ordinariat Graz) sind Anmeldungen noch möglich. Auch weitere Diözesen bieten spezielle Schulungen an.
Die Nachfrage sei ungebrochen, erklärte Graf. Die Resonanz auf die Nikolausaktionen bestätige, "wie wichtig dieser Brauch vielen Menschen ist". Auch den alljährlichen Diskussionen um die Abschaffung des Nikolaus-Fests in Schulen und Kindergärten sieht die Katholische Jungschar gelassen entgegen. "Die hohe Nachfrage nach unseren Nikolaus-Schulungen und die aktive Teilnahme und positiven Reaktionen auf unsere Aktionen unterstreichen die Bedeutung des Brauchs", erklärte Graf. Dazu zählt etwa die Initiative "Nikolaus hat dein Gesicht" in der Grazer Innenstadt.
40 Jahre Nikolausaktion
Heuer feiert die steirische Jungschar zudem ein Jubiläum: Ihre Nikolausaktion wird 40 Jahre alt. Seit 1985 wirbt sie für ein Bild des Heiligen, das Nächstenliebe, Großzügigkeit und Mitgefühl betont - im Gegensatz zu früheren Darstellungen, die den Nikolaus als moralische Kontrollfigur nutzten. "Wir möchten das Bild des Nikolaus als menschenfreundlichen Beschützer stärken, der sich besonders für Kinder einsetzt", erklärte die ehrenamtliche Vorsitzende der Katholischen Jungschar Steiermark, Catharina Hofmann.
Zum Jubiläum findet am 6. Dezember ein Familienprogramm im Grazer Landhaushof statt; zwischen 15 und 17 Uhr ziehen Nikoläuse durch die Herrengasse. Kinder können an Mitmachstationen mehr über die historische Gestalt erfahren.
Auch entwicklungspolitische Akzente werden gesetzt: Die Organisation der Katholischen Männerbewegung Österreich "Sei So Frei" unterstützt mit der "Aktion Fairer Nikolaus" heuer Projekte um Romero-Preisträger Luis Zambrano in Peru, finanziert durch den Verkauf von fair gehandelter Schokolade.
Brauchtum
Der Brauch, den Nikolaus speziell zu den Kindern zu schicken, stammt aus dem Mittelalter: Klosterschüler wählten am Vorabend des Festes einen "Kinderbischof". Abt oder Bürgermeister gaben die Herrschaft für einen Tag symbolisch in die Hände der Kinder. Der "Kinderbischof", bekleidet mit einer Mitra und den Gewändern eines Bischofs, "visitierte" die Klosterschule und tadelte oder belohnte mit Süßigkeiten.
Als Begleiter des Heiligen Nikolaus ist der Krampus in Österreich nicht mehr wegzudenken. Es wird vermutet, dass der Brauch mit dem Kinderbischofsfest Mitte des 17. Jahrhunderts als sogenannter Einkehrbrauch entstand: begleitet von Gestalten in Teufels- und Tiermasken besuchte der Heilige Nikolaus Kinder, um die Guten zu beschenken, während die unartigen Kinder vom Krampus bestraft wurden. Der Krampustag fällt auf den 5. Dezember, einen Tag vor dem Nikolaustag. Überblicherweise sind beide jedoch am Abend des 5. Dezembers gemeinsam unterwegs.
Der unbekannte Heilige
Der am meisten verehrte Heilige der Christenheit gilt zugleich als einer der unbekanntesten Heiligen. Denn gesicherte Fakten über sein Leben gibt es kaum. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts geboren, soll er bereits mit 19 Jahren von seinem Onkel zum Priester geweiht worden sein, schließlich wurde er Abt des Klosters Sion nahe dem damaligen Myra. Um das Jahr 350 starb er mit rund 60 Jahren in Myra, dem heutigen Demre, rund 100 Kilometer südwestlich von Antalya.
Viele Geschichten um den Heiligen verwischen sich zudem mit Legenden um einen im sechsten Jahrhundert lebenden Abt namens Nikolaus von Sion (nahe Myra) und auch mit der Vita eines anderen Bischofs mit Namen Nikolaus aus dem nahen Pinara, dem heutigen Minare bei Fethiye. Überliefert ist auch die Teilnahme des Nikolaus von Myra am Konzil von Nicäa, das für die christlichen Kirchen von hoher Bedeutung ist.
Im 11. Jahrhundert wurden seine Gebeine schließlich von italienischen Kaufleuten gestohlen und nach Bari in Süditalien gebracht, wo sie noch heute bestattet liegen.
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