Türkei und Libanon als Nagelprobe für den "Papst des Friedens"
Vatikanstadt, 21.11.2025 (KAP) 6.400 Flugkilometer, 16 Ansprachen und zwei Staatspräsidenten, Blaue Moschee und orthodoxe Kirchen, Konzilsjubiläum und Gedenken an die Hafenexplosion in Beirut - vor allem aber: Frieden. So etwa lässt sich die erste Auslandsreise von Papst Leo XIV. auf den Punkt bringen, die ihn von 27. November bis 2. Dezember in die Türkei und den Libanon führt. "Der Friede sei mit Euch allen", waren die ersten öffentlichen Worte des Frischgewählten am 8. Mai. Bei seinem Besuch in den beiden Ländern kann sich der 70-jährige Leo nun als "Papst des Friedens" beweisen.
Dabei hatte noch sein Vorgänger Franziskus (2013-2025) die Reiseziele gesetzt: Er wollte zum Anlass 1.700 Jahre Konzil von Nizäa (Nicäa), dem heutigen Iznik, die Türkei besuchen. Bei der Kirchenversammlung im Jahr 325 wurden die Grundlagen des bis heute für fast alle christlichen Konfessionen gültigen Glaubensbekenntnisses formuliert.
Libanon seit 2019 in der Krise
Auch ein Besuch im krisengeschüttelten Libanon stand auf Franziskus' Liste, dem einzigen arabischen Land, in dem sich Christen und Muslime die Macht teilen. Als erster Papst besuchte Johannes Paul II. 1997 den Libanon, 2012 war Benedikt XIV. dort. Das Land erlebt spätestens seit 2019 eine wirtschaftliche und politische Krise, die sich durch die Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020 mit mehr als 200 Toten und 6.500 Verletzten verschärft hat. Immerhin: Seit der Schwächung der Hisbollah-Miliz durch Israels Militär ist das Land vergleichsweise stabil.
Im Jänner wurde endlich eine Regierung gebildet, in der wie üblich Christen den Staatspräsidenten und den Armeechef stellen. Franziskus' Absicht, die neue Regierung und das Zusammenleben der Religionen vor Ort zu bestärken, wurde durch seinen Tod im April zunichte gemacht. So wird Leo XIV. als dritter Papst in den Libanon und als fünfter in die Türkei reisen; zwei Länder, zu denen der Vatikan seit 1947 bzw. 1960 diplomatische Beziehungen unterhält.
Besuch bei Erdogan
Wie üblich wird der Papst an seinem Ankunftstag am Donnerstag (27. November) in Ankara von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan empfangen. Doch der Höflichkeitsbesuch schließt diplomatisch gesehen kritische Worte gegenüber dem Gastgeber praktisch aus.
Die Türkei, die Europa und Asien verbindet, sieht sich mehr denn je als Brückenland zwischen Orient und Okzident. Erdogan übernimmt in Kriegen und Konflikten die Rolle des Vermittlers. In Russlands Angriffskrieg erreichte er immerhin das Getreideabkommen zur Nahrungssicherung für die angegriffene Ukraine.
Auch für die EU kommt der Türkei durch den umstrittenen Flüchtlings-Deal Bedeutung zu. Andererseits ist der Umgang von türkischer Justiz und Regierung mit der Opposition zutiefst undemokratisch und steht - zusammen mit Mängeln bei Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten - einem EU-Beitritt entgegen. Auch die Christen geraten gelegentlich zum Spielball.
Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz in der Türkei, Erzbischof Martin Kmetec, erhofft sich von den Begegnungen des Papstes mit der Welt der türkischen Politik ein "positives Signal der Öffnung gegenüber dem Katholizismus und der Präsenz der katholischen Kirche im Land wie auch gegenüber den Christen allgemein", sagte er in einem Interview mit dem Nachrichtendienst Sir.
Blaue Moschee statt Hagia Sophia
Bei der ersten Türkei-Visite eines Papstes 1967 war Paul VI. in der berühmten Hagia Sophia, erbaut als byzantinische Kirche, ab 1453 Moschee und seit 1934 Museum. Doch 2020 ließ Erdogan sie zur Moschee umwidmen, was viele als unfreundlichen Akt empfanden. Selbstredend, dass Leo einen Bogen um das Bauwerk macht. Stattdessen besucht er in Istanbul, wohin er bereits am ersten Abend weiterreist, die Sultan-Ahmet-Moschee. In dem wegen seiner Fassade "Blaue Moschee" genannten Gotteshaus war 2006 bereits Benedikt XVI. und 2014 auch Franziskus. Für Leo ist es der erste Besuch in einer Moschee in seinem Pontifikat. Es wird genau beobachtet werden, ob das Oberhaupt der 1,4 Milliarden Katholiken in dem islamischen Gotteshaus eine Gebetsgeste zeigt.
Das lange erwartete Gedenken an 1.700 Jahre Konzil von Nizäa am Freitagnachmittag (28. November) fällt indes wenig spektakulär aus. Nach einem Helikopterflug von Istanbul in das rund 120 Kilometer südöstlich gelegene Iznik hält Leo zusammen mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. ein knapp einstündiges ökumenisches Gebet nahe der archäologischen Ausgrabung der antiken Basilika St. Neophyt von Nizäa. Im heutigen Iznik befinden sich fast nur Ruinen; Überreste einer lange unter Wasser gelegenen Kirche wurden in den vergangenen Monaten eilig hergerichtet.
Immerhin: Am Samstag (29. November) folgt nach einer orthodoxen Liturgie in der Patriarchalkirche St. Georg in Istanbul die Unterzeichnung einer Gemeinsamen Erklärung mit Bartholomaios, wie es schon Papst Franziskus und Benedikt XVI. bei ihren Besuchen im Phanar 2014 bzw. 2006 getan haben. Beobachter erhoffen davon konkrete Schritte Richtung Einheit der Christen.
Diese betont Leo während seines Aufenthalts in Istanbul durch Treffen mit Vertretern der verschiedenen Konfessionen in der syrisch-orthodoxen Kirche Mor Ephrem und der armenisch-apostolischen Kathedrale sowie der Teilnahme an mehreren orthodoxen Liturgien. Heute sind maximal 150.000 der rund 85,5 Millionen türkischen Bürger Christen, darunter offiziell bis zu 60.000 Armenier.
Papstmesse in "Volkswagen Arena"
Für die rund 36.000 Katholiken in der Türkei feiert Leo am Samstagnachmittag eine Messe in der "Volkswagen Arena", eine Sport- und Veranstaltungshalle im Stadtteil Saryer. Auch ein Besuch im Altenheim der Kleinen Schwestern der Armen und ein Gebetstreffen mit Priestern, Ordensleuten und Kirchenmitarbeitern in der lateinischen Heilig-Geist-Kathedrale ist vorgesehen.
Am Sonntag (30. November) nimmt Leo XIV. am Gottesdienst zum Fest des orthodoxen Patrons Andreas wiederum in der Georgskathedrale im Phanar teil. Anschließend wird er gemeinsam mit Bartholomaios den ökumenischen Segen erteilen. Am frühen Nachmittag fliegt der Papst weiter Richtung Beirut.
Beirut und Harissa
Dort folgen noch am Sonntagabend auf eine Visite bei Präsident Joseph Aoun, einem maronitischen Christen, Treffen mit Parlamentspräsident Nabih Berri, einem schiitischen Muslim, und Ministerpräsident Nawaf Salamen, der Sunnit ist.
"Ich glaube, dass sich der Papst während des Besuchs auf den Frieden konzentrieren und den Libanon auffordern wird, seinen Weg zum Frieden fortzusetzen", sagte der libanesische Kardinal Bechara Rai, der als Patriarch der katholischen Maroniten eine gewichtige politische Stimme im Land hat, jüngst. Eine Darstellung des winkenden Papstes und die Worte "Selig, die Frieden stiften" aus den Seligpreisungen Jesu bilden auch offizielles Logo und Motto der Libanon-Reise.
Den Montag (1. Dezember) beginnt Leo XIV. mit einem Gebet am Grab des maronitischen Heiligen Charbel Makluf (1828-1898) im Kloster Saint-Maroun in Annaya etwas nördlich von Beirut. Später trifft er den Klerus, Ordensleute und Seelsorger im Wallfahrtsort Harissa.
Begegnung mit der Jugend
Den Süden des Libanon, trotz der Waffenruhe weiterhin ein Schauplatz des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah, besucht das Kirchenoberhaupt nicht. Programmatisch für die Themen der Reise dürfte aber ein ökumenisches und interreligiöses Treffen auf dem Märtyrerplatz in Beirut mit Ansprache des Papstes werden. Am späten Montagnachmittag kann Leo XIV. sein Geschick im Umgang mit jungen Menschen unter Beweis stellen: bei einer Begegnung auf dem Platz vor dem maronitischen Patriarchat in Bkerke.
Sein letzter Reisetag am 2. Dezember konfrontiert den Papst mit der dramatischen Explosion von 2020 im Hafen von Beirut. Am Ort des Geschehens hält er ein stilles Gebet; es folgt eine katholische Messe an der Beirut Waterfront. Am Dienstagnachmittag wird Leo XIV. in Rom zurückerwartet.
(Diese Meldung ist Teil eines Kathpress-Themenschwerpunkts zum Besuch von Papst Leo XIV. in der Türkei und im Libanon. Alle Meldungen sind abrufbar unter www.kathpress.at/papst-tuerkei-libanon)