Forscher suchen nach Hinweisen auf erste ökumenische Versammlung
21.11.202511:45
Türkei/Archäologie/Kirche/Geschichte/Papst
Vor 1.700 Jahren trafen sich mehr als 300 Bischöfe im antiken Nizäa, dem heute türkischen Iznik, zum ersten Ökumenischen Konzil - Zum Jubiläum kommt nun auch der Papst - Hintergrundbericht von Andrea Krogmann
Iznik, 21.11.2025 (KAP/KNA) Stadtmauern, Moscheen und die Überreste von fast einem Dutzend Kirchen: Izniks reiche Geschichte durch hellenistische, römische, byzantinische, seldschukische und osmanische Zeit begleitet den Besucher auf Schritt und Tritt. In der christlichen Welt hat die Stadt rund 140 Kilometer südöstlich von Istanbul unter ihrem antiken Namen Nizäa Geschichte gemacht - als Gastgeber von gleich zwei der sieben ökumenischen Konzilien.
Während die Hagia-Sophia-Kirche im historischen Stadtzentrum - heute Orhan-Moschee - als Ort des zweiten Konzils von Nizäa (NIcäa) 787 bekannt ist, bleibt bis heute ein Mysterium, wo genau in der Stadt 325 die Väter des ersten Ökumenischen Konzils ihre fundamentalen theologischen Weichen stellten. Forschungen türkischer Archäologen der Universität Bursa versprechen Einsichten.
Überraschung aus der Luft
Die Überraschung kam aus der Luft: 2014 erhielt der Leiter der Archäologischen Abteilung der Uludag-Universität in Bursa, Mustafa Sahin, Luftaufnahmen des Ascanius-Sees; so hieß er zumindest, als Iznik noch Nizäa war. Darauf erkennbar, etwa 2 Meter unter Wasser und rund 30 Meter vom Ufer entfernt: die Umrisse einer dreischiffigen Basilika. Die geostete Apsis legte schnell nahe, dass es sich um ein christliches Gotteshaus handelt. Das brachte der Ruine die Namen "Unterwasserbasilika" und "versunkene Kirche" ein.
In den elf Jahren seit ihrem Fund ist der Seespiegel gefallen. Trockenen Fußes führt Mustafa Sahin zu den historischen Mauerresten, die aus dem Wasser ragen. Doch der Archäologe nimmt den Wind aus den Segeln: Die Kirche, dessen Ruinen er seit 2015 erforscht, müsse aus der Zeit nach 390 stammen. Das belegten Münzen, die in Gräbern unter der Altarwand gefunden wurden. Konzilskirche könne die Basilika demnach schon mal nicht gewesen sein.
Das Aber in Sahins Stimme wiegt schwer. Zu gut passt die Lage des Fundes zu Hinweisen zum Sitzungsort der Konzilsväter, die sich in historischen Quellen finden. Der Archäologe führt Konzilsteilnehmer Eusebius von Caesarea, den britischen Pilger und späteren Bischof von Eichstätt Willibald, ein Fresko der Sixtinischen Kapelle und Reisenotizen eines weiteren angelsächsischen Geistlichen ins Feld. Zusammengefasst: Die Konzilsväter tagten in einem Palast des Kaisers Konstantin außerhalb der Stadtmauern und mit Panorama auf den See.
Viele Fragen offen
Wo genau dieser Palast gestanden hat, auch das ist bis heute nicht geklärt. Zwar markiert ein Schild ein paar hundert Meter nördlich am Seeufer ein paar Ruinen als "Senatspalast". Das aber wird von verschiedenen türkischen Nizäa-Fachleuten bezweifelt. Eher, so sagen sie, könnte es sich um Teile des antiken Hafens handeln. Wer baue schon seinen Palast außerhalb der Stadtmauern, argumentieren sie - auch wenn es in der Geschichte genügend Beispiele dafür gibt.
Die Stadtmauer ist auch für Sahin ein wichtiges Argument - wenn auch in gegenteiliger Weise: "Die Kirche im See ist die größte Kirche Izniks dieser Zeit. Mit 800 Quadratmeter Fläche übertrifft sie die 600 Quadratmeter große Hagia-Sophia-Kirche, die deutlich später gebaut wurde. Eine solche Basilika würde man innerhalb der Stadtmauern erwarten."
In der Nähe der Heiligen
Die Basilika, so glauben Sahin und sein Team, wurde im Gedenken an das wichtige Kirchentreffen des Konzils erbaut, und zwar in der Theorie der Forscher auf einem älteren Martyrion, das das Grab des heiligen Neophytos markierte. Der fand der Legende nach außerhalb der Stadtmauern und in Seenähe den Märtyrertod - ein weiteres Match mit dem Fundort der versunkenen Kirche. Dafür spräche auch der Bestattungsplatz, den man um die Basilika gefunden habe. Die Beisetzung in der Nähe von Heiligen- und Märtyrergräbern sei bei den frühen Christen beliebt gewesen.
An der Stätte gefundene Marmor- und Säulenreste müssen laut dem Team vor ihrer Wiederverwendung zu einem griechischen Gebäude gehört haben. "Meine Theorie ist, dass hier ein Apollo-Tempel aus dem 2. Jahrhundert gestanden hat, von dem wir aus Quellen wissen, der aber bisher nicht gefunden wurde", so Sahin. Kaiser Konstantin sei ein großer Fan von Apollo gewesen, "den er mit dem Sol invictus gleichsetzte". Stimmt Sahins Theorie, markiert die Unterwasserbasilika als "Konzilsdenkmal" quasi einen heidnischen Tempel, ein frühchristliches Märtyrergrab, die Umgebung des kaiserlichen Palastes und des Tagungsortes von "Nicäa I".
Konstantinopel war noch nicht fertig
740 zerstörte ein Erdbeben nach Annahme des Archäologen die Kirche. Ein Zusammenspiel aus weiteren Beben, darunter das letzte große von 1065, und dem Anstieg des Wasserpegels ließ ihre Überreste im See versinken.
Warum aber rief Kaiser Konstantin überhaupt die Bischöfe in die kleine Stadt Nizäa? Die künftige kaiserliche Residenzstadt Konstantinopel, das heutige Istanbul, war noch nicht fertig, als das Konzil tagte; und Nizäa lag deutlich näher an der damaligen Reichshauptstadt Nicomedia (heute Izmit). Es war für die mehrheitlich aus Asien anreisenden Bischöfe leichter zu erreichen und als Bischofssitz mit kaiserlichem Palast mit der nötigen Infrastruktur versehen.
Für Sahin gibt es ein weit einfacheres Argument: "Es gab zu dieser Zeit eine große christliche Gemeinde, was nicht nur archäologische Funde mit christlichen Namen, sondern auch die Christenbriefe des römischen Statthalters der Provinz, Plinius des Jüngeren, belegen." Darin bat Plinius zu Beginn des 2. Jahrhunderts Kaiser Trajan um Rat bei der richtigen Bestrafung der Anhänger der seinerzeit noch verbotenen christlichen Lehre.
(Diese Meldung ist Teil eines Themenschwerpunkts zum Besuch von Papst Leo XIV. in der Türkei und im Libanon. Alle Meldungen sind abrufbar unter www.kathpress.at/papst-tuerkei-libanon)