UN und Hilfsorganisationen berichten von Misshandlungen, Vergewaltigungen und Tötungen - Extremer Hunger unter Flüchtlingen
Berlin/Wien, 12.11.2025 (KAP/KNA) Die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im Bürgerkriegsland Sudan nimmt nach Helferangaben immer brutalere Formen an. In der von den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) eroberten Großstadt Al-Fashir seien rund 260.000 Menschen eingeschlossen, es komme zu zahlreichen Misshandlungen, Vergewaltigungen und Tötungen, erklärte die Diakonie Katastrophenhilfe am Mittwoch in Berlin.
Das evangelische Hilfswerk beruft sich dabei auf Berichte lokaler Partner. Diese seien inzwischen selbst zunehmend Opfer der Gewalt, so die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Dagmar Pruin. "Sie haben monatelang Außergewöhnliches geleistet, um Menschen in der eingeschlossenen Stadt zu versorgen." Pruin mahnte mehr internationale Aufmerksamkeit für den Krieg in dem afrikanischen Staat an. "Er muss jetzt gestoppt werden, um die humanitäre Katastrophe in der Region endlich in den Griff zu bekommen." Die Gräueltaten in Al-Fashir könnten sich sonst auch in anderen Städten wiederholen.
Extremer Hunger unter Flüchtlingen
Die, denen die Flucht aus Al-Fashir gelungen sei, zeigten dabei oft Anzeichen extremen Hungers, erklärte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die Menschen in einem 60 Kilometer entfernten Camp versorge. Von den Kindern unter fünf Jahren, die seit der Einnahme der Stadt durch die RSF am 27. Oktober angekommen waren, waren mehr als 70 Prozent akut mangelernährt, 35 Prozent von ihnen sogar schwer.
Überlebende hätten berichtet, dass es in der belagerten Stadt keine Möglichkeit gebe, an Nahrungsmittel zu gelangen. Menschen, die versucht hätten, Essen in die Stadt zu bringen, seien von den RSF getötet worden. "Wir fordern alle Konfliktparteien auf, humanitären Organisationen sicheren und ungehinderten Zugang zu gewähren, damit sie ihre Hilfe ausweiten und zur Bewältigung dieser Krise beitragen können", betonte die Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen, Myriam Laaroussi.
"Was wir hier erleben, ist eine absolute Tragödie", erklärte Inos Mugabe, Einsatzleiter von World Vision Sudan. "Diese Kinder und ihre Familien sind dem Belagerungszustand entkommen, doch ihre Körper sind geschwächt. Ihre aktuelle Lage ist bei akuter Unterernährung und mangelnder medizinischer Versorgung lebensbedrohlich." Die Möglichkeiten, diesen Kindern zu helfen, stießen an die Grenzen der NGO, hieß es. World Vision ruft die internationale Gemeinschaft dringend auf, finanzielle Mittel für humanitäre Hilfe bereit zu stellen.
Konflikt gleicht Genozid in Ruanda
Die Berichte der Hilfswerke decken sich mit den Beobachtungen der Vereinten Nationen. Im Interview mit dem Magazin "Der Spiegel" warnte der Sondergesandte des UN-Kinderhilfswerks Unicef für den Sudan, Sheldon Yett, vor Gewalt im Ausmaß eines Völkermordes wie dem in Ruanda vor 31 Jahren. "Vieles von dem, was in Teilen des Sudans gerade passiert, erinnert mich daran. Die Berichte über die Raserei. Die Freude am Töten." Rund 20 Millionen Menschen seien von Hunger bedroht. "Unterernährung, fehlendes Trinkwasser, die fehlende medizinische Versorgung, verlorene Bildung, Traumata. Diese Narben werden eine ganze Generation prägen", so Yett.
Im Sudan kämpfen seit April 2023 die sudanesischen Armee und die RSF um die Vorherrschaft im Land. Die Folgen des Bürgerkrieges gelten derzeit als die schwerste humanitäre Krise der Welt.
Eine politische Lösung des Konflikts sei bislang nicht in Sicht. Vereinzelt gebe es aber hoffnungsvolle Zeichen, erklärte Yett. "In einigen Regionen gehen Kinder zur Schule, Familien bauen ihr Leben wieder auf. Die Resilienz der sudanesischen Kolleginnen und Kollegen ist beeindruckend. Auch scheint die Welt endlich zu erkennen, dass der Sudan nicht im Stich gelassen werden darf."