Wiener Caritas und Sozialforschungsinstitut Foresight: Zahl der Hilfesuchenden steigt - Neue Hotline und Spendenaufruf gestartet
Wien, 11.11.2025 (KAP) Die anhaltende Teuerung und staatliche Sparmaßnahmen treiben immer mehr Menschen in finanzielle Not: Die Nachfrage nach Lebensmitteln ist laut Caritas im Vergleich zu 2024 um 26 Prozent gestiegen - von 8.282 auf aktuell mehr als 10.400 Personen. "Mehr Not bedeutet für uns mehr Hilfe", sagte Caritas-Wien-Direktor Klaus Schwertner am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit dem Sozialforschungsinstitut Foresight in einer Le+O-Ausgabestelle in Wien-Favoriten. Die Hilfsorganisation will künftig wöchentlich rund 100 zusätzliche Haushalte mit leistbaren Lebensmitteln versorgen und startet dazu eine neue Hotline (05/17 76 300) für armutsbetroffene Menschen in Wien. Dort erhalten Betroffene Informationen zur Registrierung und zu freien Terminen in den Ausgabestellen.
Als Folge der stark gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie sei für viele Menschen "ein Einkauf zur Existenzfrage" geworden, so Schwertner. Es gebe bereits Mangelernährung bei Kindern, "weil sich Familien kein ausgewogenes, vitaminreiches Essen mehr leisten können". Viele wüssten schlicht nicht mehr, wie sie den nächsten Einkauf bezahlen sollten.
Auch die geplanten Einsparungen von Bund und Ländern könnten die Lage weiter verschärfen. Die Armut in Österreich könnte in einem Ausmaß zunehmen, "wie wir es schon lange nicht mehr erleben mussten", warnte Schwertner. Und weiter: "Hier droht, Grundlegendes ins Rutschen zu geraten."
Teuerungen und Isolation
Laut einer Erhebung der Statistik Austria hat rund ein Zehntel der Bevölkerung Schwierigkeiten, die laufenden Ausgaben zu decken. Besonders betroffen seien Haushalte mit niedrigem Einkommen, Arbeitslose und Alleinerziehende, erläuterte Foresight-Geschäftsführer Christoph Hofinger. Eine Folge der Teuerung sei zunehmende soziale Isolation: Rund ein Drittel der von der Caritas Befragten gab an, wegen der Preissteigerungen ihre sozialen Kontakte "sehr" (acht Prozent) oder "ziemlich" (25 Prozent) einschränken zu müssen - doppelt so viele wie im Vorjahr.
In den aktuell 15 Le+O-Ausgabestellen der Caritas der Erzdiözese Wien habe die Nachfrage zuletzt stark zugenommen, berichtete Schwertner. Mit einem weiteren Zuwachs werde gerechnet, so der Caritas-Direktor der auch um Spenden für Lebensmittelpakete oder um haltbare Lebensmittel wie Reis, Öl, Kaffee, Konserven, Zucker oder Salz bat.
Sozialstaat stärken: Reform statt Demontage bei Sozialhilfe
Deutliche Kritik äußerte Schwertner an den jüngsten Maßnahmen zur Budgetsanierung, die "auf dem Rücken der Ärmsten" ausgetragen würden. Dazu zählte er die Abschaffung des Klimabonus, das Auslaufen der Strompreisbremse, die Aussetzung der Valorisierung von Familienleistungen, Einschränkungen der Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose sowie steigende Gebühren und Preise. Gleichzeitig steigen Gebühren und Preise - etwa für Strom, Gas, amtliche Dokumente und Lebensmittel. Letztere sind seit 2021 um bis zu 60 Prozent teurer geworden.
Bund und Länder wären nun gut beraten, rasch eine bundesweit einheitliche Reform von Mindestsicherung und Sozialhilfe auf den Weg zu bringen, so Schwertner: "Wir benötigen einheitliche Kinderrichtsätze und Mindeststandards anstelle von Höchstgrenzen."
Trotz Verständnis für Einsparungsmaßnahmen zeigte sich der Caritasdirektor überzeugt, dass etwa die Abschaffung des kostenlosen warmen Mittagessens in den Notquartieren für Obdachlose durch die Stadt Wien "keine große Summe ausmachen" könne - auch wenn die Winterhilfe der Stadt Wien weiterhin "Vorbildcharakter für Österreich und Europa" habe.
Kritik äußerte Schwertner zudem an den neuen Regelungen für subsidiär Schutzberechtigte, die ab 1. Jänner 2026 in Wien keine Mindestsicherung mehr erhalten und künftig in die Zuständigkeit der Grundversorgung fallen. Für viele Betroffene bedeute das, dass sie sich ihre Miete nicht mehr leisten können. Schwertner forderte daher eine "Sozialverträglichkeitsüberprüfung" neuer gesetzlicher Regelungen.