Konflikte um Landbesitz: Christen in Türkei im Wettlauf mit der Zeit
24.09.202514:14
Österreich/Türkei/Kirche/Justiz/Politik
Schwedischer Rechtsanwalt Aydin berichtete bei Jahrestagung der "Initiative Christlicher Orient" über Bemühungen, den Christen ihren Landbesitz im Tur Abdin zu erhalten bzw. zurückzugeben
Salzburg, 24.09.2025 (KAP) Der schwedische Rechtsanwalt Ilhan Aydin hat es sich zum Ziel gesetzt, die letzten im Turabdin in der Südosttürkei verbliebenen Christen zu unterstützen und ihnen bei ihren Rechtsstreitigkeiten um Landbesitz zu helfen. Aydin berichtete bei der Jahrestagung der Initiative Christlicher Orient (ICO) in Salzburg von seiner Arbeit. Konkret geht es darum, dass den Christen von verschiedenen Seiten ihr Land streitig gemacht wird. Aydin sprach von einem "Wettlauf mit der Zeit". Wenn es jetzt nicht gelinge, die Konflikte zugunsten der christlichen Bevölkerung zu lösen, würden immer mehr ihre Lebensgrundlage verlieren. Zugleich ortete der Rechtsanwalt aktuell Verständnis für sein Anliegen vonseiten der türkischen Politik.
Viele Besitzverhältnisse, die auf die Osmanische Zeit zurückgehen, seien nicht eindeutig mit Dokumenten belegt. Ein häufiger Grund für Landstreitigkeiten. Dazu komme, dass viel ehemaliger christlicher Besitz vom Staat konfisziert worden sei, so Aydin. Viele christliche Dörfer seien über Jahrzehnte leer gestanden. Kurden hätten sich angesiedelt bzw. auch Felder und Weideflächen genützt.
Im Tur Abdin, dem spirituellen und kulturellen Zentrum des syrisch-orthodoxen Christentums, leben heute noch maximal 2.600 Christen. Um 1900 soll es im Tur Abdin noch 200.000 Christen gegeben haben. In den 1960er-Jahren betrug die Zahl der Christen noch rund 75.000. Als Mitte der 1980er Jahre der militärische Konflikt zwischen der kurdischen PKK und dem türkischen Militär ausbrach, saßen die verbliebenen Christen im Tur Abdin zwischen allen Fronten. Einige christliche Dörfer wurden in Folge vom türkischen Militär zur Gänze geräumt, in anderen gab die christliche Bevölkerung von selbst auf. Viele zogen nach Istanbul, die Mehrheit freilich suchte ihr Glück im Westen; in Deutschland, Schweden, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien oder auch in Österreich. Die Bilanz: Mitte 1997 verblieben im Tur Abdin etwa 2.600 Christen. Und so ist es bis heute geblieben, obwohl inzwischen einige Christen in ihre alte Heimat zurückgekehrt sind.
Die Sicherheitslage in der Region habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, so Aydin. Konkret ist der Anwalt in mehr als 30 Dörfern aktiv und versucht, durch aufwendige Recherchen die Besitzverhältnisse zu klären. Ein weiteres Problem für die Christen: Wenn sich in ihrem Dorf eine besonders alte bzw. wertvolle Kirche befindet, "dann ist oft fast das ganze Dorf von den Behörden gleichsam unter Denkmalschutz gestellt worden". Das bedeute, dass die Bewohner dann auch an ihren eigenen Häusern nichts renovieren könnten bzw. Neubauten nicht möglich seien. Auch in solchen Fällen ist der Rechtsanwalt aktiv, der selbst seine Wurzeln, im Tur Abdin hat. Er bemüht sich auch, dass die extrem langen Gerichtsverfahren in der Türkei beschleunigt werden.
Aydin berichtete in Salzburg von guten Gesprächen mit den türkischen Behörden. "Wir konnten schon mit einigen Ministern, dem Vizepräsidenten und dem Vorsitzenden des Parlaments sprechen und unsere Anliegen vorbringen." Präsident Recep Tayyip Erdogan habe zudem in der Causa einen eigenen Koordinator in Ankara ernannt. Die Regierung mache das alles wohl nicht aus besonderer Liebe zu den Christen, so Aydin auf Nachfrage, aber man wolle wohl in der Region eine Balance zwischen kurdischer Mehrheit und christlicher Minderheit bewahren.
Aydin nannte auch zudem ein Fernziel: Während etwa die Orthodoxe und Armenische Kirche in der Türkei einen offiziellen Status haben, wurde dies der Syrisch-orthodoxen Kirche nicht gewährt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Deshalb kann die Kirche etwa auch keine eigenen Schulen betreiben. Auch hier wirbt der Rechtsanwalt um ein Umdenken in Ankara. Ein Mitstreiter dabei ist der derzeit einzige christliche Parlamentsabgeordnete George Aslan.
Würdigung von ICO-Gründer Hollerweger
Die ICO-Jahrestagung, die von der Salzburger "Pro Oriente"-Sektion mitveranstaltet wurde, ging am Dienstag zu Ende. Mit dabei war auch der Salzburger Weihbischof Hansjörg Hofer, der mit den Teilnehmenden einen Gottesdienst feierte und dabei den Gründer der ICO, Hans Hollerweger, würdigte.
Der Filmemacher Andreas Gruber aus Wels zeigte bei der ICO-Tagung seine Impressionen von einer Reise durch den Nordirak, die er mit einem ICO-Team unternommen hatte. Er betonte, dass ihn das Bemühen der Christen, sichtbar zu sein, beeindruckt hat. Darum hat er bewusst ein beleuchtetes Kreuz, wie es in vielen Dörfern zu sehen ist, an den Schluss seines Beitrags gesetzt. Ihm gefällt das Zeichen, das die Christen damit setzen: "Wir sind da." Ein weiterer Vortragender war der in Syrien wirkende Leiter des Hilfswerks "People of Mercy" Karim Finianos.