Salzburger Jahrestagung der "Initiative Christlicher Orient" über komplexe Situation in Syrien, im Nordirak und in der Türkei eröffnet - Ordenskonferenz-Vorsitzender Erzabt em. Birnbacher: Beeindruckendes Glaubenszeugnis der syrisch-orthodoxen Christen
Salzburg, 22.09.2025 (KAP) Mit einem Appell, trotz der angespannten und derzeit völlig undurchsichtigen Lage im Nahen Osten in der Hilfe für die Christen vor Ort nicht nachzulassen, wurde am Montagvormittag die diesjährige Jahrestagung der "Initiative Christlicher Orient" (ICO) in Salzburg eröffnet. ICO-Obmann Slawomir Dadas wies in seiner Begrüßung auf die vielen unterschiedlichen Signale aus dem Nahen Osten hin. Deutlich wurde, dass vor allem die Minderheiten in der Region, darunter die Christen, mit großer Sorge in die ungewisse Zukunft blicken. Die Tagung wurde von der ICO gemeinsam mit der Salzburger Pro Oriente-Sektion durchgeführt.
"Wir versuchen, den Orient bei uns bekannt zu machen, unvoreingenommen zu berichten und zu informieren. Wir reden nichts gut, heißen aber auch nicht alles schlecht. Wir versuchen, Beziehungen zu pflegen zu jenen Menschen, die ihre Heimat lieben und nicht verlassen wollen oder können. Wir versuchen zu helfen, damit Kinder und Jugendliche mit Hoffnung aufwachsen und ältere Menschen einen Lebensabend in Würde verbringen können", so Dadas einleitend zur Selbstverortung des Hilfswerks.
Der Vorsitzende der Österreichischen Ordenskonferenz, Erzabt em. Korbinian Birnbacher, berichtete von seinem jüngsten Besuch im Tur Abdin in der Südosttürkei. Birnbacher hat das Kerngebiet der syrisch-orthodoxen Kirche Ende August gemeinsam mit einer Delegation der ICO und der Salzburger "Pro Oriente"-Sektion besucht. Er habe das Zeugnis der Syrisch-orthodoxen Kirche als besonders glaubwürdig und hoffnungsvoll erlebt, unterstrich Birnbacher. Diese Solidaritätsreise und die zahlreichen Begegnungen mit Menschen, die zum Teil nach Jahrzehnten im westeuropäischen Ausland wieder in ihre angestammte Heimat zurückgekehrt sind, hätten ihm gezeigt, "dass sich eine Kirche - sofern sie sich auf die eigenen Wurzeln und Ursprünge besinnt und dabei offen bleibt für die Entwicklungen der Zeit - ohne Identitätsverlust auch über Jahrhunderte in einem nicht-christlichen Umfeld behaupten kann".
Der Tur Abdin ist das spirituelle und kulturelle Zentrum des syrisch-orthodoxen Christentums, dessen Kirchen und Klöster teils bis ins 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus zurückreichen. Mor Gabriel gilt als "Herz des Tur Abdins" und ist der Sitz von Erzbischof Timotheos Samuel Aktas. Von den im 19. Jahrhundert noch 200.000 Christen im Tur Abdin sind heute nur noch 2.600 bzw. rund 650 Familien übrig.
Komplexe politische Lage
Der Wiener Journalist und Nahost-Experte Wieland Schneider eröffnete den inhaltlichen Teil der Tagung mit einem Überblick über die politischen Entwicklungen in Syrien, im Irak und in der Türkei. Schneider warnte u.a. vor einer tickenden Zeitbombe in Lagern im kurdisch gehaltenen Nordsyrien, in denen IS-Kämpfer und ihre Familien festgehalten werden. Den kurdischen Kräften sei es kaum noch möglich, diese Lager zu kontrollieren. Drinnen würden die Kinder und Jugendlichen in einem IS-Umfeld aufwachsen und indoktriniert. Zugleich weigerten sich westliche Staaten vehement dagegen, ihre dort inhaftierten Staatsbürger zurückzunehmen.
Schneider räumte weiters ein, dass der rasche Umsturz in Syrien Ende 2024 auch von den Experten so nicht vorhersehbar gewesen sei. Dass sich Machthaber Bashar Al-Assad nicht länger halten konnte, sei zum einen wohl der Schwäche seiner schiitischen Verbündeten und auch innersyrischen Machtverschiebungen bei lokalen Clans geschuldet.
Der neue syrische Präsident Ahmed al-Scharaa bemühe sich um internationale Anerkennung, gebe sich derzeit sehr moderat und sei etwa auch aktuell zur UN-Generalversammlung nach New York gereist. Zugleich bleibe große Skepsis im Blick auf seinen islamistischen Hintergrund. Selbst wenn sich nun tatsächlich ideologisch umorientieren haben sollte, sei es fraglich, inwieweit ihm seine HTS-Miliz auch folgen werde. Es geben bereits Berichte über HTS-Kämpfer, die sich dem IS anschließen wollten. Dieser sei bei weitem noch nicht besiegt. IS-Untergrundzellen gebe es in zahlreichen Städten, immer wieder würden auch Attentate verübt, das syrisch-irakische Grenzgebiet sei das konzentrierte Rückzugsgebiet der Terrormiliz.
Schneider wies weiter etwa auch auf die nach wie vor dramatische Situation der Jesiden hin. Bis zu 10.000 Jesidinnen und Jesiden wurden vom IS während dessen Terrorherrschaft von 2014 bis 2017 ermordet, 7.000 versklavt, 2.800 Frauen würden immer noch vermisst. 23.000 Jesiden lebten immer noch ohne Perspektive in Flüchtlingscamps im Nordirak, in ihrer Heimat im Sindschar geht der Wiederaufbau nur schleppend voran.
Auf den Friedensschluss zwischen der Türkei und der kurdischen PKK angesprochen, zeigte sich Schneider skeptisch. Sollte es tatsächlich zu einer nachhaltigen Befriedung kommen, wäre dies freilich ein großer Fortschritt für die gesamte Region.
Tagung mit Erzbischof Lackner
Weitere Vortragende der Tagung im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil sind der nordirakische chaldäische Bischof Felix Shabi, der schwedische Rechtsanwalt Ilhan Aydin, der sich für die Christen im Tur Abdin einsetzt, sowie der in Syrien wirkende Leiter des Hilfswerks "People of Mercy", Karim Finianos. Mit dabei sind auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, der ein Grußwort sprechen wird, sowie Weihbischof Hansjörg Hofer.
Knapp 900.000 Euro hat das Linzer Hilfswerk "Initiative Christlicher Orient" (ICO) im vergangenen Jahr für Hilfsprojekte im Nahen Osten aufgewendet. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht 2024 hervor, den die ICO aktuell veröffentlicht hat. 68 Projekte wurden damit verwirklicht; 26 in Syrien (ca. 360.000 Euro), 19 im Libanon (ca. 315.000 Euro), 16 im Irak (ca. 173.000 Euro), vier in Palästina (ca. 27.000 Euro) und drei in der Türkei (ca. 13.000 Euro). Neben der Hilfe vor Ort ist die Information über den Nahen Osten und die Christinnen und Christen vor Ort die zweite Hauptaufgabe der ICO. (Infos: www.christlicher-orient.at)