Projekt "Religion und Religionen" startet an Berufsschulen in Vorarlberg und Tirol - Schülerinnen und Schüler verschiedener Glaubensrichtungen werden gemeinsam unterrichtet - Feldkircher Schulamtsleiterin Ferchl-Blum: "Wir brauchen Prototypen des Neuen"
Feldkirch, 15.09.2025 (KAP) Unter dem Projektnamen "Religion und Religionen" ist zu Beginn des Schuljahres 2025/26 an allen Tiroler und Vorarlberger Berufsschulen ein gemeinsamer dialogisch-kooperativer Religionsunterricht eingeführt worden. Getragen wird das Projekt von fünf Religionsgesellschaften und Kirchen: der Alevitischen Glaubensgemeinschaft, der Altkatholische Kirche, der Evangelischen Kirche A.B. und H.B., der Katholischen Kirche und der Neuapostolischen Kirche.
In Vorarlberg sind acht Berufsschulen betroffen. Der klassische, konfessionell getrennte Unterricht werde durch ein kooperatives Modell ersetzt, in dem Schülerinnen und Schüler verschiedener Glaubensrichtungen gemeinsam unterrichtet werden, wie Annamaria Ferchl-Blum, Schulamtsleiterin der Diözese Feldkirch, gegenüber den "Vorarlberger Nachrichten" (VN, Montag) erläuterte.
Ziel des Projekts sei es, die Vielfalt in den Klassenräumen sichtbar zu machen - für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ebenso wie für die persönliche Orientierung, so Ferchl-Blum. "Der klassisch-konfessionelle Religionsunterricht geht davon aus, dass die Mehrheit der Schüler katholisch ist, was aber längst nicht mehr der Wirklichkeit entspricht", erklärte die Schulamtsleiterin. In den Berufsschulen sei die religiöse Landschaft besonders plural: "Es gibt Klassen, in denen acht bis neun Religionen vertreten sind. Das ist Realität, kein theoretisches Konstrukt."
Laut Landesstatistik besuchen rund 6.000 Jugendliche eine Berufsschule in Vorarlberg. Im vergangenen Schuljahr unterrichteten rund 30 Lehrpersonen das Fach "Katholische Religion". "Gerade die Berufsschule ist ein Ort, an dem sich junge Menschen mit den großen Fragen des Lebens auseinandersetzen wollen, sie schätzen dieses Fach", so Ferchl-Blum.
Federführend für das neue Schulprojekt ist in Vorarlberg Fachinspektorin Ruth Berger-Holzknecht: "Uns war wichtig, dass nicht die katholische Kirche allein etwas startet und die anderen dazukommen, sondern dass wir es von Anfang an gemeinsam machen", betonte sie gegenüber den VN.
Zusammen mit den Religionsgemeinschaften wurde eine Handreichung erarbeitet, die sich am Lehrplan für Religion orientiert. Dort werden zentrale Themen aus den Perspektiven der jeweiligen Religionen beleuchtet. "So kann ein Thema wie Gemeinschaft von einer alevitischen Schülerin ebenso behandelt werden wie von einem katholischen oder freikirchlichen Schüler", sagte Ferchl-Blum.
Der Unterricht werde aber nicht im Teamteaching abgehalten. Eine Lehrperson übernehme die Klasse, bereite den Unterricht aber religionssensibel vor. "Die Lehrperson weiß, welche Religionen in der Klasse vertreten sind und bereitet dementsprechend Materialien vor", so Berger-Holzknecht. Unterstützung kommt in Form von Fortbildungen, digitalen Materialien und einer eigenen Homepage.
Fazit von Berger-Holzknecht: "Die Jugendlichen lernen dabei nicht nur ihre eigene Religion besser kennen, sondern auch die Perspektiven der anderen. Das fördert Respekt, Toleranz und letztlich auch demokratische Haltung."
Das Modell soll laut den Verantwortlichen laufend evaluiert werden. Auch eine Ausweitung auf weitere Schultypen wäre in Zukunft denkbar. Für Ferchl-Blum ist das Projekt jedenfalls ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: "Das bisherige Auseinanderdividieren der Religionen hat an Plausibilität verloren. Wir brauchen Prototypen des Neuen."