Konferenz zur internationalen Entwicklungsfinanzierung im spanischen Sevilla gestartet - Vatikan: Ungerechtigkeiten bekämpfen - Kritik von NGOs, weil Österreich mit EU privat finanzierte Entwicklungspolitik forcieren will - "AG Globale Verantwortung": "Private investieren kaum in Krisengebiete und das schiere Überleben von Menschen"
Sevilla/Wien, 01.07.2025 (KAP) Arme Länder müssen nach Worten von UN-Generalsekretär António Guterres eine stärkere Stimme in Institutionen der Entwicklungsfinanzierung haben. Zugleich forderte Guterres zum Auftakt der UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung im spanischen Sevilla am Montag höhere Investitionen für die vor zehn Jahren vereinbarten Ziele einer nachhaltigen Entwicklung. Nötig seien pro Jahr mehr als 4 Billionen US-Dollar (3,4 Billionen Euro). Auch EU-Ratspräsident António Costa nannte die derzeitigen Mittel laut Katholischer Nachrichten-Agentur (KNA) "eindeutig unzureichend".
Guterres sagte, die Welt gerate in Rückstand bei der Verwirklichung der Entwicklungsziele. "Fortschritt kommt nicht von allein", so der UN-Generalsekretär. Das globale Wachstum verlangsame sich, Handelsschranken nähmen zu, Entwicklungshilfebudgets schrumpften. "Der wichtigste Motor der Entwicklung - die internationale Zusammenarbeit - wird durch geopolitisches Misstrauen und Spaltung zerstört", beklagte Guterres.
Unterdessen ertränken die Entwicklungsländer im Schuldendienst. Die Kreditrückzahlungen seien in die Höhe geschnellt, auf 1,4 Billionen Dollar jährlich (1,2 Billionen Euro). Guterres verlangte eine Reform der globalen Finanzarchitektur, "die die heutigen Realitäten und die dringenden Bedürfnisse der Entwicklungsländer widerspiegelt".
Vatikan: Ungerechtigkeiten bekämpfen
EU-Ratspräsident Costa sagte auf der Konferenz, die EU habe im Jahr 2023 mit 95,9 Milliarden Euro 42 Prozent der weltweiten Entwicklungshilfe geleistet. Nach Schätzungen hätten EU-Länder mehr als 300 Millionen Dollar (256 Millionen Euro) an Krediten umgeschuldet.
Die EU sei "fest entschlossen" zu einer inklusiveren und effizienteren Finanzarchitektur; man wolle neue Finanzierungsquellen erschließen und sich für eine Behandlung von Schulden nach dem gemeinsamen Rahmen der G20 einsetzen.
Der Botschafter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, Gabriele Caccia, warb in Sevilla für eine Finanz- und Wirtschaftspolitik, die den Menschen diene. Es sei alarmierend, dass Entwicklungsländer zunehmend zu einer "unmöglichen Wahl zwischen Schuldendienst und Dienst an ihrer Bevölkerung" genötigt seien. Die katholische Kirche fordere dazu auf, "diese Ungerechtigkeiten mutig zu bekämpfen", sagte der Erzbischof laut KNA am Rande der Konferenz.
Österreich sieht sich im Spitzenfeld
Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS), die sich auf Nahost-Reise befindet, wird in Sevilla durch Nikolaus Marschik, Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, vertreten. Österreich wolle bei der Konferenz engen Austausch mit Ländern des sogenannten Globalen Südens suchen und spreche sich zusammen mit anderen EU-Staaten dafür aus, innovative Finanzierungslösungen zu fördern, um private, renditeorientierte Finanzmittel für die Entwicklungspolitik zu mobilisieren, hieß es aus dem Außenministerium gegenüber der Austria Presse Agentur (APA).
Marschik sagte: "Österreich liegt bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele im internationalen Spitzenfeld. In Sevilla gilt es nun, die SDGs global weiter voranzutreiben - insbesondere mit den Staaten des Globalen Südens. Auch im Hinblick auf unsere UNO-Sicherheitsratskandidatur ist Österreich hierbei ein verlässlicher Partner."
Kritik österreichischer NGOs
Eine private, renditeorientierte Finanzierung für Entwicklungspolitik könne allenfalls ein Bestandteil, aber nicht das Ziel der österreichischen Entwicklungsfinanzierung sein, kritisierte am Montag die "AG Globale Verantwortung", der Dachverband 38 österreichischer NGOs für den Bereich Entwicklung und Humanitäre Hilfe. Der Private Finance First-Ansatz habe seit seiner Einführung 2015 die Verschuldung und Ungleichheiten in Ländern des Globalen Südens weiter angeheizt, deren demokratische Rechenschaftspflicht und regulatorische Rolle untergraben und stattdessen eine Vereinnahmung der weltweiten nachhaltigen Entwicklung durch Konzerne begünstigt, sagte Entwicklungspolitik-Fachreferentin Karin Kuranda. "Die ohnehin knappen öffentlichen Mittel fließen dann dafür genutzt, um private Investoren anzuziehen", so die Expertin der "AG Globale Verantwortung".
Der Ansatz verschleiere, dass wohlhabende Länder wie Österreich in der aktuell verschärften globalen Lage für Stabilität, Frieden und Gerechtigkeit haben, so Kuranda. "Zumal Private kaum in Krisengebiete und das schiere Überleben von Menschen investieren." Wolle Österreich ein vertrauenswürdiger Partner für Länder des Globalen Südens sein, müsse es Zukunftschancen für benachteiligte und gefährdete Menschen ermöglichen. "Dazu gehört, endlich die internationale Verpflichtung der OECD-Mitgliedsstaaten einzuhalten, jährlich 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen bereitzustellen", erneuerte die Entwicklungspolitik-Expertin eine langjährige Forderung der Hilfswerke.
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