Wegbegleiter: Peru war Prevosts Vorbereitung für das Papstamt
15.05.202512:41
(zuletzt bearbeitet am 15.05.2025 um 12:43 Uhr)
Peru/Österreich/Kirche/Papst/Geschichte/Leute
Peruanischer Kirchenexperte und Menschenrechtsaktivist Jahncke: Prevost bewies schon als Bischof, dass er für komplexere Aufgaben geschaffen war, mit Geduld und Weisheit, ohne voreilige Entscheidungen zu treffen, die zu Konflikten führen könnten
Lima/Wien, 15.05.2025 (KAP) Leo XIV. wirkte vor seiner Papstwahl mehr als drei Jahrzehnte in Peru, war dort ein äußerst volksnaher Priester und Bischof und wurde von dieser Zeit geprägt: Das hat Javier Jahncke, Wegbegleiter des einstigen Bischofs von Chiclayo und früheren Augustiner-Missionars, in einer Kathpress übermittelten Analyse zur Papstwahl dargelegt. "Dass er in Peru war und so viele unterschiedliche widrige Realitäten erlebt hat, hat Papst Leo XIV. geprägt, um die große Aufgabe zu übernehmen, unsere Kirche zu führen", erklärte der Menschenrechtsaktivist und Projektpartner der Österreichischen Dreikönigsaktion, der der Kommission für Soziale Aktion (CEAS) der Peruanischen Bischofskonferenz angehört.
Als frisch zum Priester geweihter Augustinermönch kam Robert Francis Prevost, der heutige Papst, 1985 von seiner Heimat Chicago nach Peru, das sich damals in gespannter Lage befand: Auch wenn die Militärdiktatur vorüber war, befand sich das Andenland in einer schweren Wirtschaftskrise mit hoher Inflation, enormer Auslandsschuld und massiver Arbeitslosigkeit. Dazu kamen bewaffnete interne Konflikte, verschärft durch den Terror der maoistischen Guerilla "Leuchtender Pfad" mit Anschlägen und Massakern auch in ländlichen Regionen sowie Gegengewalt und Menschenrechtsverletzungen seitens des Militärs, worunter die Zivilbevölkerung und die Indigenen besonders litten.
Prevost habe all diese Realitäten in verschiedenen Landesteilen Perus kennengelernt: Zunächst in der nördlich gelegenen Diözese Chulucanas, dann in der am Pazifik gelegenen Erzdiözese Trujillo, weiters ganz im Süden in der Anden-Prälatur Chuquibambilla und schließlich wieder im Nordwesten "als Bischof in seiner geliebten Diözese Chiclayo, der 'Hauptstadt der Freundschaft'", schrieb Jahncke. Die "Grausamkeit" der weiter vom Militär bestimmten Regierung habe der nunmehrige Papst damals ebenso erfahren wie die Härten und Folgewirkungen der Regierung von Alberto Fujimori (1990-2000), die enorm polarisiert und viele Peruaner zur Umsiedlung und Landbesitznahme gezwungen habe.
Zum "Mann des Volkes" geworden
Eingehend schilderte Jahncke, wie sehr Prevost durch die Nähe zur Bevölkerung zum "Mann des Volkes" geworden sei und sich mit ihm identifiziert habe. "Er lernte, mit den Menschen zu gehen, ihnen zuzuhören, sie zu begleiten, gemeinsam mit ihnen zu kämpfen." Dabei kam er auch auf die Bilder zu sprechen, die gleich nach der Papstwahl um die Welt gingen: Zu sehen ist darauf der damalige Bischof in Gummistiefeln, wie er im Hochwasser Hilfsgüter verteilt. "Er ist durch den Schlamm gegangen und hat sein Volk angesichts der Verwüstungen durch das El-Niño-Phänomen begleitet, das sich Jahr für Jahr verschärft", so der Projektpartner der Dreikönigsaktion, der hier auf die Folgen des Klimawandels hinwies.
Unterstützend und vermittelnd habe Prevost in seiner Funktion schließlich als Vizepräsident der Bischofskonferenz Perus auch in sozialen Konflikten gewirkt, wie etwa jenen zwischen den Bergbau-Konzernen und den lokalen bäuerlichen Gemeinschaften, schrieb Jahncke, der selbst als Generalsekretär des Bergbau-Betroffenen-Netzwerks "Red Muqui" intensiv mit diesem Thema beschäftigt ist und Prevost auf mehreren Reisen begleitete. Der Bischof sei dabei stets den Weg des Dialogs und der Gerechtigkeit gegangen: "Er war immer derjenige, der sich auf den Weg machte, um zuzuhören, um gemeinsam Lösungen zu suchen, um inmitten des Volkes präsent zu sein."
Migration und Missbrauch
Als "größte Herausforderung" in der von 2015 bis 2023 dauernden Bischofszeit in Chiclayo habe sich Prevost laut Jahncke der "Krise der Migranten" angenommen: Besonders aus Venezuela seien in dieser Zeit viele Flüchtlinge nach Peru gekommen, verbunden mit etlichen Menschenrechtsproblemen wie etwa Menschenhandel und Zwangsprostitution. Als Reaktion habe die Kirche die Sozialpastoral aufgebaut, um den Migranten Nahrung, Notquartiere und Arbeitsmöglichkeiten zu bieten. Für derartige Aufgaben sei es notwendig gewesen, alle verfügbaren Kräfte, angefangen mit den Priestern und Ordensleuten, zu mobilisieren - "und das in einer Diözese, die aufgrund ihres konservativen Profils über mehr als 20 Jahre hinweg kaum über solche Kräfte verfügte", bemerkte Jahncke.
Bischof Prevost habe diese Herausforderung auf außergewöhnlich gute Weise angenommen, so das Urteil des Experten. "Es war kein Zufall, dass man ihm diese Aufgabe anvertraute - er bewies, dass er für komplexere Aufgaben geschaffen war, mit Geduld und Weisheit, ohne voreilige Entscheidungen zu treffen, die zu Konflikten führen könnten." Dies sei auch der Grund gewesen, dass er später mit der Apostolischen Visitation einer anderen Diözese in Peru beauftragt wurde, deren Region für das starke Netz an organisierter Kriminalität berüchtigt ist.
Auch Perus weiter bestehende Bischöfliche Kommission für Soziale Aktion (CEAS) wurde von Prevost geprägt, erklärte Jahncke: Entscheidend habe der nunmehrige Papst als Mitglied der Leitung die Ausarbeitung von deren "prophetisch-ethischer Position" gemäß der pastoralen Leitlinien zur sozialen Arbeit der Kirche Perus beigetragen. Weiters erwähnte der Experte auch die Zuständigkeit Prevosts für die Missbrauchs-Prävention innerhalb der Peruanischen Bischofskonferenz. "Er begegnete den Vorfällen mit Transparenz und Entschlossenheit, und setzte in mehreren Fällen konkrete Maßnahmen um. Deshalb erkennen viele in Leo XIV. die Weiterführung jener neuen Etappe, die Papst Franziskus vorgezeichnet hat".
Schatz und Geschenk
Der nunmehrige Papst hat die Jahrzehnte in Peru als "eines der größten Geschenke" und als "großer Schatz" bezeichnet. Als er 2023 Präfekt des Bischofsdikasteriums in Rom wurde und von Perus Bischöfen als Anerkennung für seine Tätigkeit in dem Andenland mit der "Goldmedaille des Heiligen Toribio de Mogrovejo" ausgezeichnet wurde, bekannte er, er wäre lieber in Chiclayo geblieben, habe dem Wunsch von Papst Franziskus jedoch Folge leisten müssen. Seine erste Verbindung zu Peru habe er bereits als Fünfjähriger gehabt, erklärte der damalige Präfekt laut dem Portal Aciprensa (Montag): Ein dort tätiger Onkel habe ihm eine bunte, traditionelle Wollmütze von dort, eine sogenannte "Chulla", mitgebracht. Seither habe ihn das Land nicht mehr losgelassen.
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