Theologe Neuhold über Leo XIV.: Papst jenseits enger Zuordnungen
15.05.202510:47
Österreich/Kirche/Religion/Papst/Theologie
Sozialethiker Leopold Neuhold warnt in "Sonntagsblatt" vor vorschnellem ideologischen Einordnen des Papstes - "Nicht Leo XIII. - sondern Leo XIV." - Neuer Papst kein "Testamentsvollstrecker" seines Vorgängers - Papstname als Signal für Fortführung und Weiterentwicklung
Graz, 15.05.2025 (KAP) Die Wahl des neuen Papstes Leo XIV. sendet ein starkes Signal in Richtung einer Fortführung und Weiterentwicklung der katholischen Soziallehre. Das betont der Grazer Theologe und Sozialethiker Leopold Neuhold in einem Kommentar für das aktuelle "Sonntagsblatt" der Diözese Graz-Seckau (Ausgabe 14. Mai). Mit seinem Papstnamen stelle sich Leo XIV. bewusst in die Tradition von Leo XIII. und dessen berühmter Sozialenzyklika "Rerum Novarum" (1891), so Neuhold: "Für mich als Vertreter der christlichen Soziallehre ist die Fortführung der Tradition, die mit der Wahl des Namens Leo angezeigt ist, ermunternd." Neuhold warnt jedoch davor, den neuen Papst vorschnell ideologisch einzuordnen; denn dieser gelte zwar als "Mann der Mitte", doch bleibe unklar, "was Mitte ist".
Auch die Tatsache, dass Leo XIV. der erste US-Amerikaner auf dem Stuhl Petri ist, dürfe nicht zu vorschnellen geografischen oder kulturellen Zuschreibungen führen: Er sei ein Papst, "der die Zuordnung in Nord und Süd aufsprengt". Und: "In den Zuordnungen liegen oft auch Versuche, Bestärkung für seine eigene Position zu finden und so die Dynamik des Einzigartigen auf sich hin zu lenken und damit einzubremsen."
Der neue Papst sei auch mehr als ein "Testamentsvollstrecker" seines Vorgängers, so der Theologe. Leo XIV. habe zwar in seiner ersten Ansprache zentrale Anliegen seines Vorgängers Franziskus aufgenommen, etwa "den Friedensgruß, die Einforderung von umfassender sozialer Gerechtigkeit oder das Bekenntnis zu einer synodalen Kirche". Das neue Kirchenoberhaupt habe bereits in der kurzen Zeit seines Pontifikats gezeigt, dass es nicht um ein bloßes Wiederholen vergangener Positionen gehe.
Leo XIV. sei "nicht Leo XIII., sondern eben Leo XIV. mit seiner Einmaligkeit und seinem in der Erwählung durch Gott gelegenen Ausgriff auf das, was heute für Welt und Kirche Not-wendend und Heil-bringend ist". Es gelte daher, die Soziallehre weiterzudenken - im Licht der von Papst Franziskus betonten Anliegen wie Geschwisterlichkeit, Friedensstiftung und Sorge um das gemeinsame Haus. Diese Perspektiven seien als "neue Anführungszeichen" zu verstehen, unter denen die Soziallehre nun stehe.
Als Kirchenrechtler werde Leo XIV. künftig neue strukturelle Weichenstellungen setzen, zeigte sich Neuhold überzeugt. Diese würden aber nicht als Abgrenzungen, sondern als Akzentsetzungen zu verstehen sein - im Sinne einer Kirche, die "auf den ganzen und alle Menschen in den heutigen Verhältnissen einer neuen industriellen Revolution ausgerichtet werden kann".