Einst ein Favorit, heute Außenseiter: Kardinal aus Ghana war eine Art vatikanischer "Sozialminister" und Menschenrechtsbeauftragter, seit drei Jahren ist er Kanzler der Päpstlichen Wissenschafts-Akademien
Rom, 05.05.2025 (KAP) Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson (76) aus Ghana in Westafrika galt einst als der Mann fürs "erste Mal". Nach einem Studium mit Promotion in Ghana, New York und Rom ernannte ihn Johannes Paul II. 1992 zum Erzbischof von Cape Coast. Elf Jahre später wurde der Sohn eines katholischen Zimmermanns und einer methodistischen Verkäuferin überraschend ins Kardinalskollegium berufen und somit Ghanas erster Kardinal. Nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. galt Turkson 2013 als recht chancenreich, auch der erste Papst aus Afrika zu werden. Dass Gelasius I. (492-496) vermutlich ein Berber war, ist dabei etwas in Vergessenheit geraten.
Anders als afrikanische Kardinäle, die als Erzbischöfe in ihren Heimatländern wirken, ist der stets besonnen wirkende Turkson gut im Vatikan vernetzt. Benedikt XVI. berief den Ghanaer 2009 nicht nur zum Generalrelator der zweiten Afrika-Synode, sondern auch als Präsident des damaligen Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden (Iustitia et Pax). Turkson wurde damit eine Art vatikanischer "Sozialminister" und Menschenrechtsbeauftragter sowie gefragter Gesprächspartner.
Papst Franziskus bestätigte den Kardinal aus Afrika in diesem Amt. Turkson wurde maßgeblicher Mitarbeiter an Franziskus' großen Enzykliken "Laudato si" (2015) und "Fratelli tutti" (2020) - für Umwelt- und Klimaschutz bzw. universale Geschwisterlichkeit. Ab 2016 leitete er das bei der Kurienreform von Papst Franziskus damals neu geschaffene Entwicklungs-Dikasterium der Römischen Kurie.
Als "Sozialminister" musste Turkson die katholische Soziallehre fortschreiben - und große Menschheitsfragen kirchlich beleuchten: Gerechtigkeit und Frieden, Entwicklung und gesellschaftlicher Fortschritt, Menschenrechte und Religionsfreiheit, humanitäre Hilfe, Umweltschutz und Klimakrise. Dazu erarbeitete seine Behörde Dossiers und Erklärungen für den innerkirchlichen Raum wie für den gesellschaftlichen Diskurs. Dann organisierte sie viel beachtete Kongresse zu einem breiten Themen-Fächer: zur atomaren Abrüstung, zur Abschaffung der Todesstrafe, für ein gerechtes Gesundheitswesen oder für das Menschenrecht auf Trinkwasser.
Außerdem war der Kardinal, der fünf Sprachen spricht viel auf Reisen. Er vertrat den Heiligen Stuhl bei internationalen Konferenzen, sprach vor der UNO in New York, äußerte sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos, und er ging zu Katholikentagen. Zudem entsandte der Papst ihn immer wieder als Mittler in Kriegs- und Krisengebiete: an die Elfenbeinküste, in die Ukraine, die Ebola-Regionen im Ost-Kongo.
Kanzler von päpstlichen Thinktanks
Als 2016 im Zuge der Kurienreform von Franziskus die vier kurialen Sozialbehörden aufgelöst und im "Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen" neu aufgestellt wurden, beförderte der Papst Turkson zum ersten Präfekten. Eine Herkules-Aufgabe. Und: Zu Turksons Stärken zählen eher Inhalte und Seelsorge als Verwaltungs- und Managementkompetenz. Es haperte beim Umbau. Nach Ende seiner fünfjährigen Amtszeit gab es vom Papst keine Verlängerung im Präfektenamt.
Allerdings erhielt Turkson eine ehrenvolle Anschlussaufgabe: Seit drei Jahren ist er Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften sowie derjenigen der Sozialwissenschaften. Zwei auch mit Nobelpreisträgern besetzte Thinktanks, die den Papst in naturwissenschaftlichen und sozialethischen Fragen beraten. Damit hat der Kardinal weiterhin die Möglichkeit, Zukunftsfragen für Erde und Menschheit im interdisziplinären Austausch zu vertiefen: von der Klimaforschung und Herausforderungen der KI bis zur Pandemie-Bekämpfung, von Organhandel bis zur Ernährungskrise.
Noch im Jänner verlas Turkson eine Papstbotschaft an das Weltwirtschaftsforum in Davos und stellte sich der Diskussion mit den Teilnehmern. "Der Zweck ist nicht die Maximierung, sondern die Optimierung von Profit", betonte er im März in Köln, wo er die deutsche Übersetzung des Kirchen-Dokuments "Mensuram bonam" (Das gute Maß) vorstellte, das "glaubensbasierte Maßstäbe für katholische Kapitalanleger" zum Thema macht. Es widerspreche der christlichen Berufung, Gutes zu tun, wenn Investments zu Spaltung, Chaos, Konflikten und ökologischen Schäden führten, sagte der Kardinal.
Afrikanische Gemeinden brauchen Unabhängigkeit
Kritik übt Turkson auch auf seinem Heimatkontinent. So müssten Bischöfe Gelder angesichts sinkender finanzieller Unterstützung aus dem Globalen Norden gut anlegen und sich unabhängiger von Spenden machen.
Außerhalb der Kirche ist Turkson für seine Aussagen zu Homosexualität bekannt. Kurz vor dem Konklave 2013 sagte er, homosexuelle Priester seien für Kindesmissbrauch in der Kirche verantwortlich. Jüngst ruderte er zurück. In der Debatte um ein Gesetz zur Strafmaßerhöhung in Ghana klang Turkson ungewöhnlich versöhnlich. In der BBC sprach er sich gegen eine Kriminalisierung Homosexueller aus. Solche Praktiken seien "kein Verbrechen".