Unter den Konklave-Teilnehmern war keiner enger mit Franziskus verbunden als sein Landsmann Fernandez - Über viele Jahre galt er als Bergoglios Vordenker und Ghostwriter, zuletzt war er seit 2023 Glaubenspräfekt - Fernandez' Ideen waren freilich oft umstritten
Rom, 02.05.2025 (KAP) Kardinal Victor Fernandez (62) ist im Kardinalskollegium der, der am längsten und am engsten mit Papst Franziskus verbunden war. Der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, entdeckte den aus der Provinz Cordoba stammenden Priester schon in den späten 1990er Jahren, als der die Theologische Fakultät der Katholischen Universität von Argentinien in Buenos Aires (UCA) leitete.
Obwohl es in der Glaubenskongregation in Rom eine Akte wegen dogmatischer "Zweideutigkeiten" in seinen Schriften gab, setzte Bergoglio durch, dass Fernandez 2009 Rektor der UCA wurde. Zwei Jahre zuvor hatten die beiden bei der Versammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Aparecida gemeinsam das Abschlussdokument formuliert. Es enthielt im Kern bereits die späteren Öffnungen der katholischen Dogmatik und Morallehre - aus Gründen der Seelsorge - die Franziskus in seiner Amtszeit als Papst umsetzte.
Aquinat als Ausgangspunkt
Im theologischen Denken vertritt Fernandez eine Fortentwicklung der Lehre des Theologen Thomas von Aquin (1225-1274). Unter Berufung auf den heiligen Thomas trat Fernandez dafür ein, die oft sehr strengen Moralprinzipien der christlichen Lehre stets im Licht des Einzelfalls anzuwenden und das Seelenheil des einzelnen Menschen als oberstes Ziel im Auge zu behalten. In Abgrenzung zum moralischen Relativismus stellte er allerdings nicht die Gültigkeit der Prinzipien in Frage.
Nach der Papstwahl Bergoglios 2013 wurde sein Landsmann Fernandez in Rom oft als dessen Vordenker und Ghostwriter genannt. Für das erste moraltheologische Öffnungsvorhaben des Lateinamerikaners, die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen und anderen Menschen in "irregulären" Lebenssituationen zur Kommunion, vertraute er wieder auf den theologischen Sachverstand von Fernandez.
Wie schon in Aparecida feilten die beiden Argentinier auch bei den Weltfamiliensynoden 2014/15 an den Formulierungen zentraler Textpassagen, damit sie für gemäßigt konservative Bischöfe zustimmungsfähig wurden. Die fallweise Zulassung von Katholiken zur Kommunion, die nach einer Scheidung in zweiter Ehe lebten, traf damals freilich auf Widerstand von vier konservativen Kardinälen. Von ihnen ist derzeit nur noch einer, der US-Amerikaner Raymond Burke (76), zur Papstwahl berechtigt.
Erst in seiner Spätzeit, nach dem Tod des Vorgängers Benedikt XVI., holte Franziskus seinen Landsmann Fernandez nach Rom und setzte ihn dort in die erste Reihe. Er vertraute ihm 2023 die Leitung der Glaubensbehörde an und forderte ihn auf, diese zu einer zentralen Stelle für die Weiterentwicklung von Theologie und Lehre umzubauen - statt eine Behörde zur Überwachung kritischer Theologen zu sein. Seit seinem Umzug in den Vatikan, wo der Papst ihm eine der begehrten Dienstwohnungen mit Blick ins Grün der vatikanischen Gärten gab, stand Fernandez im Zentrum medialer Aufmerksamkeit.
Streit um Segnungs-Richtlinie
In seinem neuen Amt sorgte der Argentinier schon bald für eine erbitterte innerkirchliche Auseinandersetzung. Zu Weihnachten 2023 erlaubte er mit dem Dokument "Fiducia supplicans" erstmals die kirchliche Segnung von Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Konservative Kardinäle und fast alle Bischofskonferenzen Afrikas liefen dagegen Sturm.
Schließlich sah sich Fernandez gezwungen, dem Aufstand nachzugeben. Er räumte die Möglichkeit ein, dass Bischöfe in bestimmten Ländern "die Notwendigkeit weiterer Prüfung und Unterscheidung in den Blick zu nehmen, um im Kontext mit pastoraler Klugheit handeln zu können." Faktisch wurde dies, vor allem in Afrika und Osteuropa, als eine vorläufige Aussetzung der neuen Segnungs-Richtlinie interpretiert.
Zuletzt sorgte Fernandez noch einmal für Aufmerksamkeit, als er unmittelbar nach der Entlassung von Franziskus aus dem Krankenhaus Ende März ankündigte, sein Chef sei noch für weitere Überraschungen gut. Einen knappen Monat später starb Franziskus. Welche Rolle Fernandez künftig übernimmt, entscheiden - direkt oder indirekt - die Kardinäle, die am Mittwoch (7. Mai) mit ihm gemeinsam ins Konklave ziehen.