Italienischer Franziskaner ist seit 2020 Lateinischer Patriarch von Jerusalem und im Nahen Osten geliebt und geschätzt
Jerusalem/Rom, 02.05.2025 (KAP/KNA) Glaubt man der israelischen Presse, ist er ein Top-Favorit für die Nachfolge im Papstamt. Auch in vielen anderen Blättern wird Kardinal Pierbattista Pizzaballa in den Top Ten der "papabile" gehandelt. Der italienische Franziskaner, seit 2020 Lateinischer Patriarch von Jerusalem, vereint Qualitäten, die ihn als geeigneten nächsten Papst erscheinen lassen - wäre da nicht sein junges Alter. Pizzaballa wurde kürzlich 60 Jahre alt; genau am Tag, als Papst Franziskus starb.
Mit dem Argentinier verbanden den Patriarchen die Sorge und das Engagement für die kleine christliche Minderheit im Gazastreifen, Pizzaballas Vorposten mitten im Hamas-Gebiet. Mit ihnen hielt Franziskus bis zu seinem Tod regelmäßigen telefonischen Kontakt. Pizzaballa ging noch einen Schritt weiter. Als einziger Kirchenführer besuchte er das Kriegsgebiet für mehrere Tage.
Anders als die meisten Amtskollegen anderer Konfessionen in Nahost bezog Pizzaballa klare Position gegen die "barbarischen Akte" der Hamas in Israel. Mit "dem gleichen Gewissen" und "der gleichen Klarheit" prangerte er Tod und Zerstörung in Gaza an und forderte Dialog und Verhandlungen. Internationale und weltkirchliche Achtung erhielt er auch für einen Zug: Gleich zu Beginn des Kriegs bot er der Hamas im Gazastreifen an, sich gegen die israelischen Geiseln austauschen zu lassen.
Mehrheitlich arabische Herde
Nach nun 35 Jahren in Jerusalem ist Pizzaballa vertraut mit dem Heiligen Land, seiner vielfältigen und vielfach gespaltenen Gesellschaft sowie dem nicht enden wollenden Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern. Unter dessen Räder droht die mehrheitlich arabische Herde Pizzaballas allzu oft zu geraten. "Für den Frieden braucht es mehr Mut als für den Krieg", sagte der Patriarch vor wenigen Wochen bei einem Besuch in Wien.
Am 21. April 1965 in Cologno al Serio südlich von Bergamo geboren, verschlug es den Franziskaner bereits mit 25 Jahren kurz nach seiner Priesterweihe nach Jerusalem, wo er seither verschiedenste Rollen und Ämter ausfüllte. Zunächst gab er die hebräische Version des Messbuchs heraus und übersetzte liturgische Texte für die hebräischsprachige katholische Gemeinde Jerusalems, für die er mehrere Jahre verantwortlich war.
Neben seiner Muttersprache und Englisch spricht Pizzaballa fließend Hebräisch und kennt die israelische Gesellschaft gut. Eine Qualität, die man spätestens 2008 in Rom erkannte, als man ihn zum Berater in der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum machte.
Erster Kardinal in Jerusalem
Von 2004 bis Mai 2016 war er Vorsteher seines Ordens im Heiligen Land, mit damals 38 Jahren der zweitjüngste Kustos in die Geschichte der Franziskaner im Heiligen Land. Es folgten vier Jahre als päpstlicher Interims-Verwalter des Lateinischen Patriarchats. Im Oktober 2020 machte der Papst Pizzaballa dauerhaft zum Patriarchen von Jerusalem. Elf Monate später ernannte er ihn zum Kardinal - dem ersten, der in Jerusalem residiert.
Der Ernannte sah darin eine Stärkung für den Nahen Osten und besonders für Jerusalem. "Wir wissen, dass Papst Franziskus sehr nah an den Peripherien und an Konfliktherden ist: Wir sind beides", sagte er nach seiner Nominierung. In der Stadt sah man ihn über Konfessions-, teils sogar Religionsgrenzen hinweg als "unseren Kardinal".
Eine klare Stimme gegen nationalreligiöse, zunehmend extremistische und rassistische Tendenzen in der israelischen Politik war der Italiener bereits vor dem Krieg. Er warnte vor Schaden für das zerbrechliche Gefüge der multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft Israels und das Gleichgewicht zwischen den Glaubensgemeinschaften. Darin drohe die christliche Minderheit zum Kollateralschaden zu werden.
"Pizzaballa-Sprech"
Seinen Gläubigen sprach er unablässig Mut zu und appellierte an ihre Glaubensstärke und ihren christlichen Stolz. Palmsonntag wurde so - im "Pizzaballa-Sprech" - zum christlichen Jerusalem-Tag. Wiederholt forderte er ein neues christliches Narrativ zu Jerusalem. Während sowohl Muslime als auch Juden ein sehr klares religiöses Narrativ hätten, falle es Christen offenbar schwerer, ihre eigene Vision eines offenen, universellen Jerusalems angemessen zu begründen. Das brauche es aber, wenn "Christen über die Zukunft Jerusalems mitreden wollen". Dabei warnte Pizzaballa die Kirche gleichermaßen vor falsch verstandener Neutralität wie vor politischer Vereinnahmung.
Der Italiener gehört weder ins Reformer- noch ins Traditionalistenlager. Theologisch eher konservativ, warb er in der Vergangenheit für Kontinuität und "Erneuerung ohne Revolution". Wie kaum ein zweiter bringt der Kardinal Erfahrung und Kenntnis der Buntheit der lateinischen Kirche, der christlichen Vielfalt sowie beiden anderen monotheistischen Religionen Judentum und Islam mit.
Italiener von außerhalb
Als langjähriger Auslandsitaliener könnte er das richtige Maß an Zugehörigkeit und Distanz haben, um gleichermaßen für Italiener wie andere wählbar zu sein. Zudem sagt man dem Franziskaner die Unterstützung der Ordens-Wähler nach.
Viele Argumente sprächen für den klugen, meist ausgewogenen und bei Bedarf glasklaren Kardinal aus Jerusalem. Mit 60 Jahren stünde der Kirche allerdings mit statistisch hoher Wahrscheinlichkeit unter Pizzaballa ein langes Pontifikat bevor. Ein Übergangspapst, wie ihn sich manche wünschen, wäre der Italiener nicht. Im Nahen Osten wiederum wünschte man sich diese langjährige Stabilität. Dort scheint der Norditaliener als Patriarch von Jerusalem kaum ersetzbar.